: Schnittig um die Welt
Viele Firmen aus Solingen produzieren auf Weltniveau. Eine Ausstellung in zwei Museen der Stadt zeigt „Starke Marken“. Zu sehen sind da auch ziemlich ungewöhnliche Schneidwerkzeuge
VON PETER ORTMANN
Knirps, Krups, Wilkinson, BKS. Schirme, Messer und Schlüssel. Weltweit bekannte Marken. Doch kaum jemand weiß, dass die renommierten Firmen, wie auch Zwilling oder Pfeilring, aus dem Bergischen Land stammten und zum Teil immer noch hier produzieren. In der Klingenstadt Solingen haben jetzt das Rheinische Industriemuseum und das Deutsche Klingenmuseum mit „Starke Marken“ eine Ausstellung zusammen gestellt, die den Weg ausgewählter Firmen aus der Provinz in die Welt und ihren heutigen Überlebenskampf in den Zeiten der Globalisierung thematisiert.
Die Macht der Klingen
Wie sollte es auch anders sein, sind sieben Schneidwarenfirmen im Klingenmuseum vertreten. Zwischen den alten Säbeln und Tonnen an Bestecken, Scheren und Rasierklingen liegen in den Vitrinen alte und neue Schneidelösungen in Edelstahl. Nicht weit vom echten Maggi-Knoten-Löffel – seine Herstellung ist immer noch ein Betriebsgeheimnis – auch die neuste Innovation an Springmessern. Das erinnert zwar optisch nur noch entfernt an die Spaghettiklapper aus den Mafia-Filmen, erfüllt aber immer noch den selben Zweck. Knopfdruck. Klinge raus. Und zustechen. In was oder wen auch immer.
Das „Speedlock“ der Solinger Firma Böker von 1996 (Design: Dietmar Pohl) ist auch in den USA ein Renner, die Firmengeschichte exemplarisch: Ausgerechnet ein gewaltiger Kastanienbaum, der im 17. Jahrhundert die kleine Handwerkzeug-Fabrik der Bökers in Remscheid überschattete, ist das älteste Faktum über den Namen Böker. Nicht nur ihre Werkzeuge wurden sehr erfolgreich, 100 Jahre später produzierten sie bereits Waffen für ganz Deutschland und das benachbarte Ausland. 1829 hatten Hermann und Robert Böker in einer ruhelosen politischen Ära beschlossen, die Produktion von Säbeln aufzunehmen. Ein Jahr später lieferten sie bereits wöchentlich 2.000 Stück. Damit nicht genug. Die Familie erkannte die weltweiten Chancen und so wanderte Hermann in die Staaten und gründete H. Boker & Co. in New York. Zusätzlich baute der junge Robert sein Unternehmen in Kanada und Mexico auf. Onkel Heinrich ging derweil über die Wupper. Nach Solingen, wo zu dieser Zeit die deutsche Schneidwarenindustrie mit Riesenschritten wuchs. Doch bereits 1900 nahm der US-Markt den größten Teil der Böker-Produktion ab. Im Klingenmuseum ist auch ein Schau-Taschenmesser mit 48 Teilen aus diesem Jahr zu sehen. Das Einzelstück für Riesen wurde auf der Weltausstellung in Philadelphia ausgestellt. Ein echter Kontrast zu den merkwürdigen Göffeln und exclusiven Edelstahl-Pommespickern der Besteck-Industrie heute.
Im Rheinischen Industriemuseum geht es dann haptisch weiter. Hier stehen in der ehemaligen Gesenkschmiede Hendrichs noch Originalmaschinen wie die funktionierende Löffelwalze und es liegen noch tonnenweise Rohlinge für die ehemalige Solinger Industrie in den Hochregalen. Es scheint so, als würde in den staubigen Werkstätten gerade nur mal Mittag gemacht. Jeden Augenblick könnten die Handwerker quasselnd zurückkehren und ihre Arbeit wieder aufnehmen.
Kastrierzange und Mixer
In dieser Umgebung werden die restlichen 17 Firmen mit ihren „starken Marken“ gezeigt. „Hier geht es um Schneidwerkzeuge im Allgemeinen und die Peripherie“, sagt Manfred Krause vom Museum und zeigt auf eine mächtige Kastrierzange für Bullen. Das edle Instrument für edle Teile gibt es von der Firma Hauptner auch „fürs stehende Pferd“. Warum ein Hengst bei der mechanischen Prozedur allerdings stehen bleiben sollte, wird natürlich nicht erklärt.
Eigentlich sollten Wuppertaler Studenten die Ausstellungsarchitektur gestalten. „Doch das scheiterte an der Finanzierung“, sagt Krause und so müssen sich die Qualitätsprodukte mit schnöden Industriestellagen begnügen. Einige der ausgestellten Firmen wie Krups (Damit die Frau es besser hat...) oder Bremshey (Regen bringt Segen...) gibt es längst nicht mehr. Nur ihre Produkt-Namen, wie der Krups3 Mix sind geblieben, die Produkte stammen oft nicht mehr aus dem Bergischen. Oder man wechselte je nach Marktlage die Erzeugnisse. Wie die Firma Kronprinz. Rudolf Kronenberg und Carl Prinz gründeten sie in Solingen 1897. Sie wurden die ersten Hersteller von Automobilrädern aus Stahl – mit Patent, denn bis dahin kannte man nur Speichenräder. Nach dem zweiten Weltkrieg baute man dann vorrübergehend im Auftrag der britischen Militärregierung auch Stahlrohrmöbel. Heute verkauft man wieder Leichtmetall-Gussräder, die auch in der Ausstellung hängen. Sie werden unter dem Namen Kronprinz AluGuss am Standort gefertigt.
Durch Innovativen haben sich Firmen bis heute auch in Nischenmärkten behauptet. So hat die Kirschbaumserie der Windmühlen Messermanufaktur der Firma Herder eine lange Tradition. Seit über hundert Jahren hat sich an den traditionellen Herstellungstechniken nur wenig geändert. Noch immer werden die Messer in Handarbeit mit biologisch korrektem Material und ohne chemische Versiegelungsmittel hergestellt. Dazu wird sich mit japanischen Schmieden ausgetauscht. Messer-Harakiri ist immer noch besser als die olle Kastrierzange.
Bis 18. Februar 2007