: So klappt’s auch mit…... dem Nachbarn
VON JANA TASHINA WÖRRLE (TEXT) UND ELÉONORE ROEDEL (ILLUSTRATION)
Szene einer Nachbarschaft: Sie – gerade in die neue Wohnung gezogen, erster Abend und alles noch in Kisten – klingelt an der Wohnungstür nebenan. Er – schon seit Jahren Mieter im fünften Stock eines Altbaus in Berlin-Neukölln – öffnet die Tür und starrt in den Flur. Sie streckt ihm die Hand entgegen und trällert: „Ich bin Ihre neue Nachbarin und wollte nur schnell Hallo sagen und dass ich noch meine ganzen Möbel aufbauen muss, und wenn es zu laut wird, dann einfach klingeln, okay?“ Er starrt weiter und murrt: „Die Nummer von der Polizei kenn ich auswendig.“ Klack, die Wohnungstür ist zu. Ein gelungener Start sieht anders aus. Jetzt starrt sie in den leeren, kalten Flur.
Die nächsten Tage werden stressig, denn eingeschüchtert versucht sie nun den neuen Job abends immer so pünktlich zu verlassen, dass noch genug Zeit ist für das Möbelaufbauen und Bilderaufhängen. Ab 20 Uhr könnte das Hämmern und Bohren nämlich als Ruhestörung gelten – und wenn der Nachbar dann wirklich gleich …? Man will ja keinen Streit. Man will nicht gleich wieder eine Wohnung suchen müssen. Und überhaupt ist es doch eigentlich schön, nette Nachbarn zu haben, die im Urlaub mal die Blumen gießen.
Musik und Hundegebell
Nach den Erfahrungen von Kerstin Reck sollte man es vermeiden, Lärm anzukündigen. „Vorauseilender Gehorsam bringt meistens gar nichts“, sagt die Berliner Rechtsanwältin, die sich unter anderem als Mediatorin im Bereich Nachbarschaft spezialisiert hat – „doch die persönliche Begrüßung war schon mal gut.“
Damit hat die Freundin, deren Geschichte ich hier erzähle, alles richtig gemacht. Das Zwischenmenschliche zähle. Ansonsten einfach locker bleiben, rät die Spezialistin für Zoff am Gartenzaun beziehungsweise im Treppenhaus: „Jeder macht mal Lärm und gerade nach einem Umzug gehören Hämmern und Bohren dazu.“ Wer jetzt den Fehler macht und ganz normale Dinge als Probleme darstellt und Nörgler schon mit der Nase auf mögliche Probleme stößt, der hat den Ärger meist selbst heraufbeschworen. Trotzdem sind „Lärmemissionen“ wie laute Musik und Hundegebell einer der häufigsten Gründe für Nachbarschaftsstreit. Wenn der Nachbar dann klingelt und man sich spontan verteidigt, ist oft schon alles zu spät. „Sätze wie ‚Ich kann Sie verstehen‘ oder ‚Ich kann Ihr Bedürfnis nach Ruhe nachvollziehen‘ sind da viel besser, denn sie zeigen Mitgefühl und dagegen protestiert selten jemand“, sagt Kerstin Reck.
Wenn der Nachbar persönlich vorbeischaut, anstatt nur gegen die Wand zu poltern oder sich gleich beim Vermieter zu beschweren, hat man als Krachmacher außerdem einen Vorteil. Im direkten Kontakt schaukelt sich eine solche Situation nach Erfahrung von Annika Loßack meist nicht so stark auf. Annika Loßack arbeitet bei der Mieterberatung der Gewobag, einer der großen Wohnungsbaugesellschaften in Berlin. Sie erlebt immer wieder, dass kleine Missverständnisse eskalieren, weil sich Nachbarn nicht kennen. „Die Anonymität ist in der Großstadt und in den großen Mietshäusern ein Problem“, erzählt sie. Bei fast fremden Leuten zu klingeln falle vielen schwerer, als sich beim Hausmeister oder der Wohnungsbaugesellschaft zu beklagen.
Immer nett grüßen
Doch dann ist Streit meist vorprogrammiert. Schon die Einladung zum Krisengespräch mit dem Vermieter ist für viele eine enorme Provokation. Annika Loßack rät gerade Neuankömmlingen: „Man sollte wissen, wer neben einem wohnt, und am besten immer nett grüßen.“ Sympathie schafft Verständnis – ein bisschen Lärm zwischendurch fällt dann weniger ins Gewicht.
Der Klassiker unter den „Lärmemissionen“ ist natürlich die Party – und auch in diesem Fall kann man einiges falsch machen: „Liebe Nachbarn, bitte entschuldigt den Lärm in der vergangenen Nacht. Meine Freunde haben mir eine Überraschungsparty geschenkt.“ Anwältin Kerstin Reck hält nichts von solchen Briefen – vorbei ist schließlich vorbei, da hilft auch kein schlechtes Gewissen. Doch auch bunte Zettel mit Partyankündigungen im Hausflur würden nicht viel nützen. Diejenigen mit den empfindlichen Ohren würden dann nur auf den Lärm warten – und darauf, die Festivität durch Hinweis auf Ruhestörung frühzeitig beenden.
Stattdessen sollte man die Nachbarn besser persönlich einladen. So wird jeder irgendwie auch zum potenziellen Mittäter.