: Hauptsache, was Gewohntes
ESSEN Ein Züricher Traditionsrestaurant eröffnet die erste vegetarische Metzgerei – was ist das?
ZÜRICH taz | Der Trick mit der „vegetarischen Metzgerei“ war ein guter. Unter diesem Titel rauschte vor gut 100 Tagen die Eröffnung eines Geschäfts in Zürich als Kurzmeldung durch die deutschsprachige Presse. Auch in Zürich selbst weckte der Name „vegetarische Metzg“, wie es vor Ort heißt, enormes Interesse.
Dabei hatte das für sein schlaues Marketing bekannte Zürcher Restaurantunternehmen Hiltl einfach nur beschrieben, was sie da tun: „Einen Tante-Emma-Laden im edlen Stil“ für vegetarische und vegane Produkte eröffnen. Mit einer Fleischtheke aus original alten Musterfliesen und imitiertem Zürcher Rahmgeschnetzelten, Soja- und Seytanwürsten, -hackfleisch oder -hühnchen.
Das Mutterhaus Hiltl steht im Guiness-Buch der Rekorde als ältestes vegetarisches Restaurant der Welt, seit 1898. Durch das Restaurant mit seinen vielfältigen Buffets dinieren sich am Tag im Schnitt 2.000 Gäste. Das setzt viel Know-how voraus, insbesondere in Sachen vegetarischer Tartar- und Cordon-bleu-Produktion.
Warum aber überhaupt Fleischimitate? „Weil manche Menschen erst über das Gewohnte zum Testen des Vegetarischen kommen“, sagt Rolf Hiltl, der Hiltl-Chef in vierter Generation. Und: „Wenn alle Kinder einer Klasse zum Grillieren ihre Würste mit in den Wald nehmen, dann sollten auch die Vegetarier eine Wurst dabei haben, die schmeckt“, sagt der 49-Jährige.
Kurz vor Freitagmittag sind schon allerhand Kunden im Laden, meist Frauen mittleren Alters. Gut geht Fertiges zum Mitnehmen, etwa Thai-Salat oder die vegane Sojaschoko-Mousse. „Auch die Sojaschlagsahne ist ein Erfolg“, so Hiltl. Die Preise liegen bei 5,50 bis 6,50 Franken für eine Dose zu 250 Milliliter – gewiss kein Discounterniveau. Für Züricher Verhältnisse ist das allerdings im Rahmen: Beim Imbiss im Hauptbahnhof kostet ein Hotdog auch 6 Franken, etwa 5 Euro.
Das übliche Vegetarisch heißt bei Hiltl übrigens „klassisch“, alles andere ist vegan. „Wenn es vom Geschmack her geht, machen wir die Gerichte gleich vegan“, erklärt Hiltl. Für die meisten Gäste spielt das keine Rolle: „90 Prozent der Kunden sind sowieso Nichtvegetarier.“
REINER METZGER