: Polizeikessel statt Alternativ-Festival
Im grün regierten Freiburg geht die Polizei nach einem Zwischenfall heftig gegen linke Demonstranten vor
FREIBURG taz ■ Dass sie illegal auf einem Privatgrundstück kampierten, wäre wahrscheinlich gar nicht so schlimm gewesen. Die Freiburger Stadtverwaltung hätte die rund 300 TeilnehmerInnen eines alternativen Festivals wohl – zähneknirschend – in Ruhe gelassen. Doch ein Ereignis in der Nacht zum Freitag ließ die Stimmung kippen: Ein Polizist wurde schwer verletzt, als 100 Teilnehmer des Festivals versuchten, einen Punk aus den Händen der Sicherheitskräfte zu befreien. Ein Streifenwagen hatte den Mann zuvor aufgegriffen, er soll ein Graffiti gesprayt haben.
So kam es, dass sich in Freiburg – der einzigen deutschen Großstadt mit grünem Oberbürgermeister – in den vergangenen Tagen hässliche Szenen abspielten. Szenen, die schlecht zum liberalen Image passen, dessen sich die Universitätsstadt gerne rühmt.
Zunächst räumten Polizisten am Freitag das Festivalgelände. Am Samstag wurde ebenfalls mit massivem Polizeiaufgebot und unter Einsatz von Gewalt eine Demonstration in der Innenstadt zerschlagen. Unaufhörlich kreiste der Polizeihubschrauber am Samstagmittag über Einheimischen und Touristen in der Universitätsstadt. Hundertschaften der Polizei waren unterwegs. Schließlich kesselten die Beamten rund 300 Demonstranten auf einer Wiese ein. Begründung der Polizei: Sie vermutete, dass einige der Protestierer bei der Räumung des Festivalgeländes am Vortag ein Platzverbot für die Innenstadt erhalten hatten.
Eingekesselt wurden aber auch Passanten. „Ich wollte nur mein Fahrrad abholen, das ich vor dem Platz abgestellt hatte“, erzählte eine Frau nach etwa zwei Stunden im Polizeikessel. Eine Zuschauerin wurde wüst von einem Polizisten angerempelt, der einen Demonstranten verfolgte. Dafür bekam sie angeblich von dem Beamten auch noch ein „blöde Kuh“ zu hören.
„Wenn hier von irgendjemandem Aggressionen ausgehen, dann bestimmt nicht von den Demonstranten“, sagte Silke Krebs, Mitglied im baden-württembergischen Landesvorstand der Grünen, die das Geschehen zusammen mit vorwiegend grünen StadträtInnen des schwarz-grün dominierten Freiburger Gemeinderats verfolgte. Der Einsatzleiter habe seine Kollegen mehrfach über Funk aufgefordert, den Ring enger zu schnüren, sagte Krebs: „Dafür gab es überhaupt keinen Grund.“ Die Taktik der Polizei habe sich sehr zum Negativen verändert, kritisierte auch die Fraktionschefin der Freiburger Grünen, Maria Viethen: „Das schadet unserem Ruf als liberaler Stadt.“
Die Polizei indes verteidigte ihr Vorgehen. „Wir konnten die Gruppe überhaupt nicht einschätzen“, sagte ein Polizeisprecher. Die Demonstration an Samstag sei nicht angemeldet gewesen. Wegen der schweren Verletzung des Polizisten sei man in erhöhter Alarmbereitschaft gewesen.
Die Räumungsverfügung für das Festivalgelände hatte die Stadt Freiburg erlassen. Sie vermietet im Auftrag des Eigentümers übergangsweise einen Teil der Fläche an eine Wagenburggruppe. Im vergangenen Winter hatte es gegen diese Gruppe ebenfalls massive Polizeieinsätze gegeben, die Wagen der Bewohner waren monatelang beschlagnahmt.
Die Festivalbesucher waren indes davon ausgegangen, dass sie sich legal auf dem Gelände aufhalten. Es habe Absprachen mit dem Immobilienverwalter der Fläche gegeben, hieß es. Die persönliche Referentin des Oberbürgermeisters bestätigte inzwischen nach Aussage einer grünen Stadträtin ebenfalls, dass der Immobilienmakler eine Duldung ausgesprochen habe. Dieser behauptet hingegen, das habe er nie getan.
In der Nacht zum Sonntag umzingelten Polizisten erneut das Areal der Wagenburgler. Politiker befürchten nun, dass auch dieses Gelände noch geräumt wird. BEATE BEULE