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Archiv-Artikel

Suizid nach angeblichem Mobbing

JUSTIZ 36-jähriger Häftling erhängt sich im Gefängnis Rosdorf. Zuvor war ihm Methadon verweigert worden. Er hatte eine Tour durch mehrere Anstalten hinter sich, wo er durch Schließer schikaniert worden sein soll

Hinweise auf eine Suizidgefährdung hat es laut Anstaltsleitung nicht gegeben

Der Selbstmord eines Häftlings in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Rosdorf bei Göttingen hat ein Karussell von Fragen, Verdächtigungen und Schuldzuweisungen in Gang gesetzt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Dirk-Oliver C. war heroinabhängig, und er galt als gewalttätig. Am 1. Juli entdeckten Wachleute und eine Ärztin den 36-Jährigen tot in einer Zelle der Sicherheitsabteilung. Er hatte sich mit seinem Bettlaken an einer Stange über dem vergitterten Fenster erhängt. Am Vortag hatte C. ohne Erfolg um den Heroin-Ersatzstoff Methadon gebeten.

Das Methadon sei verschreibungspflichtig und dürfe nur durch eine Anstaltsärztin verabreicht werden, sagt die Gefängnisdirektorin Regina-Christine Weichert-Pleuger. Die zuständige Ärztin sei aber nicht im Haus gewesen. C. sei aber Methadon für den nächsten Morgen in Aussicht gestellt worden.

Am 29. Juni hatte C. in Celle vor Gericht gestanden, weil er sich im dortigen Gefängnis zwei Vollzugsbeamten widersetzt haben soll. In dem Prozess sagte er aus, dass ihn das Wachpersonal schikaniert habe. Die Wachleute hätten ihm trotz mehrfacher Nachfrage Toilettenpapier und Seife verweigert und ihn stattdessen ungewaschen zum Hofgang gezwungen.

Daraufhin soll C. einen Wachmeister mit der flachen Hand geschlagen haben. Als mehrere Schließer ihn in die Beruhigungszelle führten, schlug er erneut zu, diesmal offenbar mit der Faust. 20 Wärter überwältigten ihn danach. Später sollen ihn drei vermummte Beamte in einer Einzelzelle verprügelt haben.

Nach nicht bestätigten Informationen soll es auch in anderen Knästen zu Mobbing und Übergriffen durch Wärter gekommen sein. Vor seiner Einlieferung in die JVA Rosdorf hatte C. eine Odyssee durch mehrere niedersächsische Knäste hinter sich

Niedersachsens Justizminister Bernd Busemann (CDU) hat umfassende Aufklärung versprochen. Hinweise auf eine Suizidgefährdung hat es nach Darstellung des Ministeriums und der Anstaltsleitung nicht gegeben.

Die Linke im Landtag fordert eine umfassende Unterrichtung des zuständigen Parlamentsausschusses. Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, müsse es personelle Konsequenzen geben. Der Knast bei Göttingen war 2007 eröffnet worden, er gilt als modernste Haftanstalt in Niedersachsen. REIMAR PAUL