15 Stunden Verzicht

RAMADAN Der erste Tag. Wissen die Berliner Muslime eigentlich, weshalb sie fasten?

„Der Kampf gegen den inneren Schweinehund“

MUSTAFA KÜCÜK, GEMÜSEHÄNDLER

Jede Menge Obst und Gemüse fährt Mustafa Kücük mit seinem Lieferwagen aus. Leckeres Gemüse, süßes Obst. Reinbeißen werde er trotzdem nicht, zumindest tagsüber, betont der 34-Jährige. Denn er fastet, wie viele Muslime in Berlin seit Mittwoch. Im Ramadan gehe es darum, „seine Sinne zu zügeln“. Vor Sonnenaufgang hat der Kreuzberger Gemüsehändler seine letzte Mahlzeit eingenommen, das sahur. Seitdem darf er nach muslimischem Ritus nicht mehr essen, trinken, rauchen, Sex haben und Schlechtes reden. „ ‚Der Kampf gegen den inneren Schweinehund‘, sagt man doch so schön auf Deutsch“, meint er und schmunzelt in seinen Vollbart hinein.

Fünfzehneinhalb Stunden fasten, das gehe in den ersten Tagen nicht so gut. Danach gewöhne man sich daran, so Kücük. „Ich lege mich erst einmal hin, wenn ich heute Mittag nach Hause komme.“ Er hat Glück, denn seine Arbeitszeiten sind mit dem Ramadan verträglich.

Das Fasten ist eine der fünf Pfeiler des Islam. Überzeugte Muslime halten sich auch an die anderen Regeln: das Glaubensbekenntnis zu Allah und dem Propheten Mohammed, Almosen geben, die Pilgerfahrt nach Mekka und das tägliche Gebet.

Um 20.44 Uhr ist am Mittwoch der erste Tag geschafft. „Linsensuppe, Zucchinipuffer und etwas Süßes wird es geben“, freut sich Kücük. Nur leichte Sachen habe er sich gewünscht von seiner Frau, die ebenfalls fastet.

Auf einer Parkbank am Halleschen Tor sitzt Fatima Rosi Schellig. „Ich finde es doof, dass man nichts trinken darf“, sagt die 57-Jährige. Sie ist vor sieben Jahren zum Islam übergetreten und kann „kreislauftechnisch“ nicht mitfasten. „Wenn man krank ist, schwanger oder auf Reisen, besteht dazu keine Pflicht“, erklärt sie. Sie treffe sich aber weiterhin mit ihrer muslimischen Frauengruppe. Ihr gefalle es, dass es dabei „so besinnlich zugehe wie in der Vorweihnachtszeit“.

Das kann auch der 24-jährige Fleischer im „Öz Trakya“ in der Kottbusser Straße bestätigen. „Der Sinn von Ramadan ist, dass wir nachempfinden sollen, wie es den hungernden Menschen auf der Welt geht“, sagt der blonde Mann und filetiert nebenbei ein Stück Rindfleisch. „Wir sollen uns in Bescheidenheit üben und dankbar sein für das,was wir haben.“ Klar sei es schwer, während der Arbeit zu fasten, vor allem mit den vielen Lebensmitteln um sich herum. Aber er könne ja weder die religiösen noch die weltlichen Pflichten vernachlässigen. Vier Wochen muss er durchhalten. EBRU TASDEMIR