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Archiv-Artikel

Die Geschäfte des Herrn Sisyphos

Israel, die Hisbollah und die Falafeln – die Kunst der Investmentpolitik im Nahen Osten

Das Muster kommt jedem, der in Berlin lebt, zumindest in Kreuzberg oder Neukölln, ziemlich bekannt vor: Ein arabischer Falafel-Laden macht nach jahrelangen Verlusten zu. Ein anderer Araber übernimmt den Laden und bietet – wen überrascht es? – wieder Falafel an. Auf die Frage, warum es diesmal besser laufen sollte, erhält man die immer gleiche Antwort: „Es wird schon gut gehen, inschallah“ (wenn Gott will, gemeint ist der Gott der Muslime, versteht sich). Das klappt normalerweise nicht. Der Laden macht zum wiederholten Mal zu. Ein neuer Besitzer – selbstverständlich ein Araber – kommt, und die unendliche Geschichte nimmt ihren bekannten Lauf.

Man könnte meinen, dies wäre eine typisch arabische, geschichtsbedingte Sisyphos-Tragödie, wenn es unseren Cousins in der Region auf der anderen Seite der Grenze, den Israelis, nicht ähnlich erginge. Böse Zungen behaupten, wir Araber hätten sie schon während des Krieges 1948 angesteckt (hebräisch: der Unabhängigkeitskrieg, arabisch: die Katastrophe).

Fest steht nur: Im Jahre 1978 versuchten sich die ersten Israelis in Sachen „Sicherheitsgeschäfte“ an der nördlichen Ausfallstraße, hinter der libanesischen Grenze. Sie wagten sich allerdings nicht sehr weit vor, nur bis zum Fluss Litani. Ihre Feinde waren damals die palästinensischen Fedajin (arabisch: „Kämpfer“, hebräisch: „Terroristen“, international: Na ja … – ihr Anführer Jassir Arafat wurde zum „Nobelpreisträger“, dann wieder zum „Terroristen“, dann starb er und hängt bis heute zwischen Himmel und Hölle, da sich die ständigen Mitglieder des göttlichen Sicherheitsrats uneins sind, wo er hingehört).

Jedenfalls investierte man jede Menge Munition und wollte jede Menge Sicherheit ernten. Allerdings erwies sich das Geschäftsmodell vier Jahre später immer noch nicht als lukrativ, sodass der Vorstand verzweifelt eine Kapitalerhöhung beschloss. Der Libanonkrieg 1982 war ins Leben gerufen. Diesmal hieß der Geschäftsführer Verteidigungsminister Ariel Scharon, kurzum der „Bulldozer“. (Scharon hängt mittlerweile irgendwo zwischen Diesseits und Jenseits. Informierten Kreisen des Himmels zufolge wartet er erst, bis der Verbleib seines Kontrahenten Arafat feststeht, damit er sich dann für den jeweils anderen Ort entscheiden kann). 1982 sollte der Geschäftsführer Scharon alles richten. Dabei sollte es eigentlich auch endgültig klappen, inschallah (gemeint ist diesmal der Gott der Juden, versteht sich).

20 Jahre später die erste Betriebsprüfung. Es tritt auf: ein junger dynamischer Investor namens Ehud Barak. Er zählt eins und eins zusammen und erklärt: „Hier ist nichts mehr zu holen.“ Er zieht seine Truppen ab, vergisst allerdings, sich gegen Schadenersatzansprüche der arabischen Kundschaft abzusichern, etwa durch längst fällige Friedensverträge und die Aufgabe des letzten besetzten Stücks Libanon, der Shebaa Farms. So fällt die Bilanz Baraks am Ende trotz Abzugs schief aus: zwei in Shebaa Farms entführte israelische Soldaten bei der Hisbollah und hunderte gefangene Libanesen in Israel. Erst im Jahr 2004 kann ein tüchtiger deutscher Insolvenzverwalter die komplizierten Geschäftsverflechtungen klären und einen Gefangenenaustausch aushandeln.

Nun ist es wieder so weit: Ein weiterer Falafel-Laden soll her; ein neuer Falafel-Spezialist versucht sein Glück: Ehud Olmert. Er meint, der internationale Geschäftsklimaindex weise nach oben. Dieses Mal werde es klappen, wenn Condi Rice es will (wir wussten es schon immer: Gott ist eine Frau). Diesmal sei das Geschäft zeitlich begrenzt, danach übernehme ein internationales Konsortium den Laden. Nur: die Kundschaft, sowohl in Israel als auch im Libanon, ist falafelmüde. Wie wäre es mit Döner … – oder gleich mit Politik? Sonst müsste die deutsche Bratwurst wieder ran. Und Bratwurst ist bekanntlich nicht koscher, weder für Araber noch für Juden.

AKTHAM SULIMAN