Die Wahlen im Kongo spalten das Land

Ersten Trends zufolge siegt Präsident Kabila im einst von Rebellen beherrschten Osten, Exrebellenführer Bemba im früher von Kabila regierten Westen um die Hauptstadt Kinshasa. Eine Stichwahl Ende Oktober zeichnet sich ab

KINSHASA taz ■ Die Wahlhelfer sind sauer. „Seit drei Tagen arbeiten wir rund um die Uhr, und das alles für 35 Dollar!“, ärgert sich ein kleiner alter Mann im orangenen Plastikumhang, den das gesamte Personal der kongolesischen Wahlkommission tragen muss. „Wir kriegen nicht mal was zu essen! Diesmal habe ich alles mitgemacht, aus patriotischem Pflichtgefühl. Nächstes Mal komme ich nicht mehr. Da werde ich boykottieren!“

Seine Kollegen stimmen lautstark ein. Dann hängen sie das Ergebnis ihres Wahllokals auf: 144 Stimmen für Exrebellenchef Jean-Pierre Bemba, 42 für Präsident Joseph Kabila, rund dreißig für die anderen Kandidaten. Das Wahllokal liegt im Viertel Matonge, da, wo radikale Bemba-Anhänger am letzten Donnerstag Gebäude verwüsteten und sich mit der Polizei prügelten. Das Ergebnis dort ist typisch. Der Staatschef des Kongo hat in der Hauptstadt Kinshasa haushoch verloren. In keinem von der taz besuchten Wahllokal kommt er über 20 Prozent.

Hier in Matonge liegt Bemba mit 60 Prozent vorn, Radioberichte geben ihm aus anderen Teilen Kinshasas zwischen 60 und 90 Prozent. Überraschend gut hält sich auch Antoine Gizenga, letzter noch lebender Vertreter der nationalistischen Rebellen um Patrice Lumumba in den 60er-Jahren und Veteran der demokratischen Opposition. Er hat in Kinshasas größtem Armenviertel Masina gut abgeschnitten und führt auch in der Stadt Maluku vor den Toren Kinshasas, wo Bamba seine Privatresidenz samt Privatarmee unterhält.

Die landesweiten Trends sind eindeutig und paradox. Kabila räumt im Osten des Landes ab, dem einstigen Rebellengebiet, wo er während des Kongokrieges nichts zu sagen hatte. Aus den östlichen Städten Goma, Bukavu und Kalemie berichten Beobachter von Kabila-Stimmenanteilen von bis zu 90 Prozent. Exrebellenchef Bemba, der sich in der Schlussphase des Wahlkampfs zum überzeugendsten Herausforderer des Staatschefs entwickelte und immer mehr Oppositionsanhänger anderer Parteien auf seine Seite zog, führt in Kongos Westhälfte, wo im Krieg Kabila regierte. Es scheint, als habe Kabila nur dort gepunktet, wo die Leute ihn am wenigsten kennen. Die unterschiedlichen Erfahrungen der Kongolesen während des Krieges 1998–2003 spiegeln sich in gegensätzlichem Wahlverhalten wider.

Am 29. Oktober wird die Stichwahl stattfinden, gab die Wahlkommission am Sonntagabend bekannt. Wenn die ersten Trends sich bestätigen, wird das nicht nur eine Stichwahl zwischen Kabila und Bemba, sondern auch eine zwischen Ost und West, die die Teilung des Landes während des Krieges reproduziert, aber mit vertauschten Rollen – Kabila im Osten, Bemba im Westen.

Erst aber müssen zahlreiche Unregelmäßigkeiten bewältigt werden, die am Wahltag offenkundig wurden. Es gibt Berichte von Wählern, die zum Wahllokal gingen und dann fanden, dass ein anderer mit der Nummer ihrer Wahlkarte abgestimmt hatte; von Wahllokalen mit doppelten Wahllisten; von Wahlhelfern, die die Menschen anwiesen, ihr Kreuz bei Kabila zu machen.

Im Stadtteil Kingabwa im Osten Kinshasas, wo am Freitag ein Überwachungsflugzeug der EU-Truppe Eufor abgestürzt war, kam es am Wahlabend zu Straßenschlachten zwischen Polizei und Jugendlichen, nachdem ein Abgeordneter der Partei Kabilas versucht hatte, Wähler zu bestechen. Es gab zahlreiche Verletzte.

Der Aufruf von Kongos größter Oppositionspartei UDPS (Union für Demokratie und Sozialen Fortschritt) des historischen Demokratieführers Etienne Tshisekedi zum Wahlboykott hatte offenbar nur in Teilen von Tshisekedis Heimatprovinz Ostkasai Erfolg. Hier musste gestern in 226 Wahllokalen nachgewählt werden, nachdem UDPS-Aktivisten sie am Wahltag verwüstet hatten. DOMINIC JOHNSON