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Archiv-Artikel

Grüne wünschen flexibles Rentenalter

Verwaiste Wohnblocks, leere Klassenzimmer? Der Bevölkerungsschwund sei trotzdem eine Chance, versichern die Grünen – wenn man nur richtig darauf reagiere. Zum Beispiel mit weniger starren Rentenregeln und veränderten Arbeitszeitmodellen

VON KATRIN RÖNICKE

Wann immer sich Politiker in den vergangenen Jahren zur demografischen Entwicklung in Deutschland zu Wort meldeten, schlugen sie in der Regel alarmierende Töne an. Ganz anders gestern die Grünen: Der Bevölkerungstrend sei eine „Chance zur aktiven Gestaltung der Gesellschaft“, verkündet der druckfrische Bericht ihrer Demografie-Kommission.

„Wir werden weniger, älter und bunter“, sagte Irmingard Schewe-Gerigk, Vorsitzende der parteiinternen Kommission, bei der Vorstellung des Papiers in Berlin. „Die Richtung ist unabkehrbar und kann durch eine gute Familien- und Migrationspolitik höchstens abgefedert, jedoch nicht aufgehalten werden“, erklärte die Bundestagsabgeordnete, die bis 2002 Mitglied der Enquete-Kommission „Demographischer Wandel“ des Bundestags war.

Das grüne Demografie-Papier geht davon aus, dass immer mehr Menschen in ihrem Leben länger als bisher arbeiten müssen und wollen. Daher fordert die Partei ein Umdenken der Arbeitgeber: „Unter 30 ist man zu jung und unerfahren und mit 45 schon zu alt für viele Unternehmen“, kritisierte Schewe-Gerigk. Die Grünen-Politikerin setzt hingegen auf ein „Drei-Generationen-Modell“, das altersgemischte Teams als Vorteil für die Betriebe anpreist.

Eine betriebliche Gesundheitsförderung, ergonomische Arbeitsplätze und ein altersgerechter Einsatz der Beschäftigten sollen dazu beitragen, dass „eine lange Lebensarbeitszeit und ein späterer Renteneintritt überhaupt erst möglich wird“. Damit spricht die Partei indirekt von einer Erhöhung des Renteneintrittsalters. Auf Nachfrage erklärte Parteichef Reinhard Bütikofer: „Eine starre Grenze bei der Rente ist altbacken.“ Seine Partei setze auf flexiblere Modelle.

Bütikofer, ebenfalls in der Demografie-Kommission, ergänzte: „Wir wollen nicht nur Veränderungen in der Altersstruktur thematisieren, sondern vor allem auch geografische Verschiebungen.“ In immer mehr Regionen schrumpfe die Einwohnerzahl. „Das ist eine enorme Prüfung.“ Die im Grundgesetz garantierte Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse sei gefährdet, wenn das demografische Auseinanderdriften völlig unkontrolliert ablaufe. „Nur in regionaler Kooperation können die Herausforderungen bewältigt werden.“

In bestimmten Bereichen sei die Zentralisierung und Zusammenlegung von Dienstleistungen und Behörden ein möglicher Lösungsweg, um auch in schwach besiedelten Regionen eine soziale Infrastruktur aufrechtzuerhalten. Dazu müssten sie natürlich auch ihre finanziellen Mittel bündeln.

Im Bereich der Bildung sprachen sich die beiden Kommissionsvorsitzenden in erster Linie für so genannte Zwergenschulen aus, in denen bis zur vierten Klasse alle Schüler gemeinsam unterrichtet werden. Man wolle damit vermeiden, Schulen in kleinen Orten zu schließen, und den Kindern längere Schulwege ersparen. Auch in der Stadtentwicklung fordern die Grünen ein Umdenken: Statt „auf der grünen Wiese“ immer mehr Neubaugebiete zu erschließen, müsse der Ausbau der Innenstädte Priorität haben. Der Flächenverbrauch solle bis zum Jahr 2015 auf ein Drittel des heutigen Wertes zurückgehen.

Im Zusammenhang mit der immer älter werdenden Bevölkerung forderten die Grünen eine grundsätzliche Bereitschaft der Bürger zu lebenslangem Lernen und von Politik und Wirtschaft eine stärkere Förderung der Weiterbildung älterer Menschen. „Das alte Muster – Lernen in der Jugend, Arbeiten in der mittleren Lebensphase und Ruhestand ab 65 – wird zukünftig auf immer weniger Menschen zutreffen“, heißt es dazu im Bericht.