: Das Pferd kann im Stall bleiben
BIKEPOLO-WM Die smarte Alternative zum Skateboard heißt Bikepolo. Einst von Fahradkurieren in Seattle entwickelt, findet derzeit die „World Hardcourt Bikepolo Championship“ auf der Pferderennbahn in Weißensee statt
VON ANDREAS HARTMANN
Ein Fahrrad, einen selbstgebastelten Poloschläger, einen Ball und irgendetwas, um die Tore zu markieren, mehr braucht man nicht, um Bikepolo zu spielen. Das Pferd, das Teuerste am herkömmlichen Polo, kann im Stall bleiben, deswegen ist Bikepolo auch kein Sport für Millionäre und englische Prinzen, sondern der neueste Schlager urbaner Trendsportarten.
Gespielt wird drei gegen drei, benutzt werden meist Fixed-gear-Bikes, also Fahrräder ohne Leerlauf, die das Bremsen mit den Pedalen ermöglichen und mit denen man auch rückwärts fahren kann. Auf einem tennisplatzgroßen Betonfeld mit Banden wird versucht, dem gegnerischen Team einen Gummiball mit einem Poloschläger, der im Normalfall ein umfunktionierter Skistock mit Plastikaufsatz ist, in das Tor zu hauen. Die Füße dürfen den Boden nicht berühren; um das zu verhindern, kann sich mit dem Schläger abgestützt werden. Nach der ersten Weltmeisterschaft im letzten Jahr in Philadelphia findet an diesem Wochenende das zweite „World Hardcourt Bikepolo Championship“ in Berlin statt, in Weißensee auf dem Gelände der Pferderennbahn.
Startgeld und Sachpreise
64 Teams aus aller Welt treten gegeneinander an, die Teams aus den USA, wo der Sport seinen Ursprung hat, sind die haushohen Favoriten. Von den Europäern könnten die Teams aus London etwas reißen, dort ist der Funsport so populär, dass es sogar eine eigene Liga gibt, allerdings kommt das beste europäische Team aus Genf. Viele der Spieler sind bereits die ganze Woche hier, um auf den Courts, die extra für die Weltmeisterschaft gebaut wurden, zu trainieren.
So wie Camilo Diestre aus Barcelona, der einfach gleich zwei Wochen Urlaub in Berlin macht. Tagsüber Bikepolo in Weißensee, abends „Biertrinken in Kreuzberg“, sagt er und grinst dabei. Untergekommen ist er bei einer Freundin aus Spanien, die in Friedrichshain wohnt, andere der Spieler zelten in der Nähe des Geländes. Wir befinden uns zwar auf einer Weltmeisterschaft, aber auf irgendwelche Geldtöpfe kann bei dieser jungen und noch als sehr obskur angesehenen Sportart trotzdem nicht zurückgegriffen werden. Irgendjemand hat einen selbstgebastelten Pokal als Siegertrophäe gestiftet, von Sponsoren gibt es ein paar Sachpreise, doch die Teams sind alle auf eigene Kosten angereist und müssen sogar das Startgeld aus eigener Tasche bezahlen.
Dennoch ist der Andrang gewaltig. Vier bereits qualifizierte Teams sind kurzfristig ausgefallen, also wurden vier andere Teams auf der langen Warteliste nachnominiert. Bei so einer Weltmeisterschaft trifft man endlich mal andere Bikepolospieler und bewegt sich nicht nur in der kleinen Szene gleichgesinnter Freaks in der eigenen Stadt. Auch Camilo sagt, dass er in Barcelona nur Kopfschütteln erntet, wenn er Bekannten von seinem Sport erzählt, den noch kaum jemand kennt, „Bikepolo ist total Underground“, sagt er. Hier in Weißensee jedoch prüft er anerkennend die Bikes der anderen und immer wieder begibt er sich selbst mit seinem Fahrrad in den Court, um zu trainieren. Gespielt wird im Training betont locker, fast niemand trägt einen Fahrradhelm, der bei den Wettbewerben obligatorisch ist, und trotzdem lässt sich erahnen, wie hart dieser Sport sein kann.
Dicke Schramme
Immer mal wieder wird ein Spieler ausgebremst, er fällt mit seinem Fahrrad kopfüber und checkt erst einmal, ob er sich eine Prellung eingefangen hat. Am Spielfeldrand behandelt gerade einer sein Bein mit einer Salbe und überall werden demolierte Fahrräder repariert.
„Wir sind alle hart im Nehmen“, erklärt Camilo, der sich selbst gerade erst eine dicke Schramme im Gesicht eingefangen hat. Von einem Poloschläger. So was kommt vor beim Bikepolo. Noch ist dieser Sport, der vor ein paar Jahren in der Fahrradkurierszene Seattles entwickelt und bevorzugt in Parkhäusern gespielt wurde, bevorzugt ein Spaßhobby für smarte, tätowierte Jungs, denen Skateboarden zu oldschoolig ist.
Aber auch ein paar Mädchen sind zu sehen. Der deutsche Meister aus Frankfurt, erklärt Camilo, der sich in der internationalen Szene gut auskennt, obwohl er selbst erst seit 1,5 Jahren aktiv ist, ist ein Mixed Team. Bikepolo ist also für alle da. In Berlin trifft sich die Szene jeden Sonntag am Wassertorplatz. Dort heißt es dann wie bei der WM vor jedem Spiel: 3-2-1-Polo.
■ Bikepolo-Weltmeisterschaft. 13. bis 15. August. Täglich ab 9.30 Uhr. Rennbahnstr. 45 (Weißensee)