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Archiv-Artikel

Sinkende Strompreise, weniger Busse

Was gut für die Gas-Rechnung ist, fördert noch lange nicht den öffentlichen Nahverkehr: Stadtwerke und Bürgermeister fürchten um ihre Einnahmen, weil die Netzagentur die Durchleitungsgebühren der Netzbetreiber senken will

von KAI SCHÖNEBERG

Das Leben ist eine Mischkalkulation: Händler verkaufen manche Waren mit Verlust, einige mit Gewinn, um am Ende in die schwarzen Zahlen zu kommen. So arbeiten auch viele kommunale Stadtwerke: Die Miesen, die mit Schwimmbädern oder den Bussen und Bahnen des öffentlichen Nahverkehrs eingefahren werden, gleichen vielerorts gut laufende Geschäfte in einem anderen Geschäftszweig aus: das gewinnträchtige Strom und Gasgeschäft.

Verfechtern eines liberalen Marktgeschehens ist dieser Zusammenhang seit langem ein Dorn im Auge: Der Energiekunde soll nur die Rechnung bezahlen, die er auch verursacht hat, meint die für die Regulierung zuständige Bundesnetzagentur. Viele Bürgermeister und ihre Stadtwerke schreien auf, weil die Bonner Regulierer der kommunalen Quersubventionierung den Garaus machen wollen: Insbesondere die lukrativen Netzentgelte, also die Kosten für die Nutzung der Gas und Stromleitungen, sollen gesenkt werden – um bis zu 30 Prozent. Niedrigere Strompreise bedeuten nicht nur weniger Busfahrten, fürchten die Stadtwerke und ihre obersten Bosse, die Bürgermeister. Vor allem die kleinen der insgesamt 700 Stadtwerke in Deutschland könnte die Regelung an den Rand der Existenz bringen.

In Niedersachsen, wo es 67 Stadtwerke gibt, die auch Gas oder Strom verkaufen, schwappt das Thema mitten in den Kommunalwahlkampf. Die Kommunalpolitiker betreiben schwere Lobbyarbeit, denn am 10. September wird nicht nur gewählt, in diese Zeit fällt auch die Entscheidung der Bundesnetzagentur. Millionenverluste durch die Pläne der Regulierer befürchtet etwa der Wilhelmshavener Oberbürgermeister Eberhard Menzel. Das sei ein „Spiel mit dem Feuer“, heißt es in einer Anfang Juli bundesweit geschalteten Zeitungsanzeige, die Menzel und mehr als 20 seiner Bürgermeisterkollegen unterschrieben. „Ich habe unterzeichnet, weil die Abführung der Stadtwerke an die Stadt um bis zu 30 Prozent sinken könnte“, sagt Menzel zur taz. „Irgendwann kommt es noch so weit, dass die Stadt Wilhelmshaven die Stadtwerke subventionieren muss.“ Für das marode Stadtsäckel wäre das untragbar.

Die „Wirtschaftlichkeit unseres Stadtwerks“ sei „in Frage gestellt“, schreibt auch der Chef der Osnabrücker Stadtwerke, Manfred Hülsmann in einem Brandbrief an Landtags und Bundestagsabgeordnete und den Aufsichtsrat, an dessen Spitze OB Hans Jürgen Fip (SPD) sitzt. Die „Konsequenzen für uns und die Stadt Osnabrück“ könnten „dramatisch“ sein, heißt es in dem Schreiben, das der taz vorliegt. Im vergangenen Jahr haben die Stadtwerke Osnabrück 25 Millionen Euro in dem Umbau eines Schwimmbades gesteckt, weitere 25 Millionen in einen neuen Busbetriebshof. „Wir sind gut für die Öffnung der Märkte aufgestellt“, sagt Sprecher Marco Hörmeyer. Aber gerade für Investitionen wie diese könnte es in Zukunft am Geld mangeln.

„Arbeitsplätze unserer Mitarbeiter“ seien „gefährdet“, heißt es in einem ähnlichen Brief der Stadtwerke der Heidestadt Schneverdingen. Die Pläne der Regulierer würden „erhebliche finanzielle Einbußen für unsere kommunalen Anteilseigener haben – mit entsprechenden Folgen für gemeinwohlorientierte Dienstleistungen“.

Die SPD will nun einen Antrag mit dem Titel „Kommunale Energieversorgung gewährleisten – Monopolbildung im Strommarkt brechen“ in den Landtag einbringen, um die Pläne der Bundesnetzagentur zu stoppen. „Vielen Stadtwerken droht der Ruin“, sagt Fraktionschef Wolfgang Jüttner. „Dann wäre den vier großen Stromkonzernen das Feld bereitet.“

Der mit der Aufsicht über die Energieversorger betraute Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) stellt sich hingegen als Anwalt der Strom und Gaskunden dar. Er wolle „dafür sorgen, dass der Verbraucher nur für die Leistung bezahlt, die er in Anspruch nimmt“, sagte Sander im Landtag. Die Kommunen müssten „ihre Phantasie spielen lassen“, meint seine Sprecherin, damit Busse, Büchereien und auch Bürgermeistergehälter künftig anders als über die Energiepreise finanziert werden.