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Archiv-Artikel

Deutsche Kinder sind reicher denn je

Jedes Kind zwischen 6 und 13 Jahren verfügt im Schnitt über ein Vermögen von gut 1.000 Euro – so eine neue Statistik. Den jungen Konsumenten bieten Unternehmen eigens geschaffene Produkte. Verbraucherschützer warnen vor Reklametricks

AUS BERLIN HANNA GERSMANN

Der Reichtum steckt im Kinderzimmer: Die 6- bis 13-Jährigen können jährlich knapp 6 Milliarden Euro ausgeben – rechnet man Taschengeld, Sparguthaben und Geldgeschenke zusammen. Im Schnitt verfügt ein Kind hierzulande mittlerweile über mehr als 1.000 Euro im Jahr. So viel Geld hatten Kinder noch nie. Das ist das Ergebnis der Kids-Verbraucheranalyse 2006.

Hinter der gestern veröffentlichten Studie steckt der Egmont Ehapa Verlag, der Kinderzeitschriften herausgibt. Dennoch gilt sie als „objektiv“, sagt Christian Fronczak vom Bundesverband der Verbraucherzentralen. Knapp 1.700 Kinder haben Fragen beantwortet wie „Wie viel Geld hast du“ , „Was isst du“ oder „Was spielst du?“ Eine größere Studie über das Verhalten der junger Käufer gibt es nicht. Das Fazit: Heranwachsende sind die besseren Konsumenten.

Ein Kind bekommt im Schnitt pro Monat mehr als 20 Euro Taschengeld, zum Geburtstag 68 Euro und zu Weihnachten noch mal 77 Euro. Es spart zumeist für ein neues Handy, eine neue DVD oder den MP3-Player. Sein Taschengeld legt es aber am liebsten in Süßigkeiten an.

Denn Mädchen und Jungen naschen wieder mehr. Im Trend: das Bonbon – jedes zweites Kind lutscht es regelmäßig. Derweil stopfen Eltern, aber auch Opa, Omas und Paten die Kinderzimmer voll – mit Puzzeln, Plüschtieren und Spielen. Die Hälfte aller Kinder hat zudem einen Gameboy oder Computerspiele. Doch die Statistik täuscht. Nicht alle Kinder haben diesen Überfluss.

Mehr als 2,5 Millionen Kinder leben derzeit auf Sozialhilfeniveau. Das sind mehr als doppelt so viele wie noch 2004, rechnet der Kinderschutzbund vor. Der Präsident Heinz Hilgers sagte der taz: „Es gibt eine deutliche Schere zwischen Arm und Reich. Manche Kinder könnten sich kaum Essen leisten, andere hätten Chancen wie nie zuvor.

Hersteller von Spielzeugen, Fahrrädern oder Süßigkeiten jedenfalls wollen verkaufen. Doch die Zahl der Konsumenten schrumpft, auch weil immer weniger Kinder geboren werden. Deshalb versuchen die „Marketingmanager sich im kindlichen Bewusstsein festzusetzen“, warnt Verbraucherschützer Fronczak. Die Zahl der Lebensmittel, die speziell für Kinder hergestellt werden, habe sich in den letzten fünf Jahren beispielsweise verdreifacht. Darunter: Kinderquark mit der Extraportion Calcium oder das Fertiggericht mit einem Spielzeug.

Darum empfiehlt Fronczak allen Kaufanfängern, „Reklamedetektiv“ zu werden. Tatsächlich kann jeder im Internet unter www.kinderseite.kinderkampagne.de nachlesen, was Werbern erlaubt ist – und was nicht. So dürfen Nahrungsmittelhersteller wie Nestlé oder Kraft Foods ihre Schokoriegel etwa nicht als gesunde Lebensmittel anpreisen, nur weil ein paar Mineralstoffe darin enthalten sind.

Allerdings machen die Werber regelrecht Jagd. Verbraucherschützer rechnen vor, dass jedes Kind im Monat rund 900 Werbespots allein im Fernsehen sieht. Dazu kommen Anzeigen in Zeitschriften oder Sponsoring in Schulen. Die Kinderwelt ist voll gestopft mit Marken. Sechsjährige können schon fehlerfrei Autos von BMW, VW oder Porsche unterscheiden.

„Für Kinder sind Marken sehr, sehr wichtig“, bestätigt Ralf Bauer vom Ehapa Verlag, der die Verbraucheranalyse geleitet hat. Das gelte vor allem für Turnschuhe, Rucksäcke, Jeans – und im Bad. Gut zwei Drittel aller Kinder legten Wert auf die Sorte der Zahnpasta. 30 Prozent der Mädchen und 12 Prozent der Jungen wollten ihr eigenes Parfüm. Und zumeist werde ihnen der Markenwunsch zu Hause auch erfüllt. Bauer resümiert: „Bei den Kindern sparen Eltern zuletzt.“