Wowereit kann es sich erlauben

Steueraffäre im Parlament

von ANTJE LANG-LENDORFF

Einlenken ist seine Sache nicht. Und so hat Klaus Wowereit am Montag im Abgeordnetenhaus seine Position verteidigt: Er finde es nach wie vor richtig, dass er seinen Kulturstaatssekretär André Schmitz 2012 trotz Steuerhinterziehung im Amt beließ. Schmitz habe schließlich sehr viel für die Öffentlichkeit getan, erklärte der Regierende. Sein sonst so ausgeprägter politischer Instinkt scheint Wowereit damals verlassen zu haben: Man kann ein derart unsoziales Verhalten nicht durch andere Dinge aufwiegen. Verdienste hin oder her – ein Politiker, der sich auf Kosten der Allgemeinheit bereichert, ist nicht zu halten.

Vor allem nicht in einer Partei, die sich dem Kampf gegen Steuerbetrüger verschrieben hat. Schmitz musste nach dem Bekanntwerden denn auch umgehend zurücktreten. Wäre er geblieben, hätten sich die Genossen immer den Vorwurf gefallen lassen müssen, Steuerhinterzieher in den eigenen Reihen zu schützen.

Wowereit macht das alles nichts. Trotz seines offensichtlichen Fehlers bleibt er Regierender Bürgermeister. Denn in der Berliner SPD gibt es nach wie vor keinen Nachfolger, der stark genug wäre, die Partei hinter sich zu scharen und ihn zu stürzen. Die Schwäche der SPD ist Wowereits Stärke. Nach dem BER-Desaster hat das der Fall Schmitz erneut gezeigt.

Ein stückweit menschlich

Und noch etwas hat er zum Vorschein gebracht: Man weiß bei Wowereit sonst sehr selten, woran ihm wirklich etwas liegt, was ihm eine Herzensangelegenheit ist und was Kalkül. Bei der Sitzung am Montag blitzte kurz etwas auf, ein Gefühl. An André Schmitz hing Wowereit tatsächlich, seinen alten Weggefährten wollte er nicht fallen lassen. Diese Entscheidung war falsch. Doch sie macht ihn, den kühl-arroganten, schnoddrigen Regierenden ein stückweit sogar menschlicher.