: Genug gegeißelt
Britta Steffen schwimmt Weltrekord – Bundestrainer Madsen freut sich und stellt einen Antidopingplan vor
BUDAPEST dpa ■ „Unglaublich“, Britta Steffen ist fassungslos. Die rechte Hand geht an den Kopf, kurz nachdem sie zur Anzeigetafel geblickt hat. Zaghaftes Winken dann bei der Siegerehrung, tiefes Durchatmen bei der Nationalhymne. Britta Steffen ist Weltrekordlerin. In 53,30 Sekunden stellte die Berlinerin die Schwimmwelt auf den Kopf und machte einen Kindheitstraum wahr. „Ich habe mir immer ausgemalt, schnellste Schwimmerin der Welt zu sein“, gibt sie glückstrahlend zu.
Aus dem größten Talent des deutschen Schwimmsports seit Franziska van Almsick ist der Welt schnellste Kraulerin über 100 Meter geworden. „Ich habe mir gesagt, mal schauen, wofür es reicht. Es ist wirklich absolut unglaublich“, meinte sie.
Gemeinsam mit ihrem Trainer Norbert Warnatzsch ist sie an einem Zwischenziel angelangt. Nach einer Leidenszeit, die Britta Steffen und ihrem Umfeld vieles abforderte. Vor allem Geduld. Immer wieder war sie auf dem Sprung. Doch genauso stetig kamen die Nackenschläge, die jetzt 22-Jährige geißelte sich, wenn sie im Wasser nicht gut war, auch als „schlechten Menschen“. Körper und Geist harmonierten nicht, „ich habe nicht an mich geglaubt“. Es gab viele Tiefschläge, darunter die Olympischen Spiele in Sydney und Athen: „Da durfte ich zweimal im Staffel-Vorlauf antreten. Das hat mir definitiv nicht gereicht.“
Persönliche Probleme ließen sie resignieren. Nach den Spielen 2004 wollte sie ihr Talent wegwerfen. Warnatzsch, der einst auch Franziska van Almsick wieder stark machte, widersetzte sich. Gemeinsam wagten sie den Neuanfang, aber erst nach einem Jahr Zwangspause, in der eine Psychologin der Schwimmerin beibrachte, die Leistung im Becken vom Menschen Britta Steffen trennen zu können. Und irgendwann hieß es nicht mehr, ein schlechtes Mädchen zu sein, wenn die Zeiten über 100 oder 200 m Freistil nicht gut waren.
„Es ist Wahnsinn, der blanke Wahnsinn.“ Warnatzsch, der 59- Jährige, hat es ihr „so von Herzen gegönnt“. Er wusste immer, was Britta Steffen im Becken drauf hat. „Aber an so etwas habe ich keine Gedanken zugelassen.“ Doch spätestens seit den „fliegend“ gemessenen 52,66 beim Staffel-Weltrekord-Rennen am Montag wusste Warnatzsch: „Es war klar, dass sie auch im Einzel schnell sein würde.“
Das große Ziel der Britta Steffen heißt nun Peking 2008. Warnatzsch ist sich mit Sportdirektor Örjan Madsen in der Einschätzung einig: Steffens Körper ist für das Schwimmen wie geschaffen. Warnatzsch: „Gertenschlank, aber trotzdem definiert, sie hat ein ideales Kraft-Last-Verhältnis.“
Dass der Grund für die schnellen Zeiten nicht in der Einnahme verbotener Substanzen liegt, ist für Bundestrainer Madsen keine Frage. Er präsentierte in Budapest einen konkreten Antidopingplan. Seine Athleten sollen ihre Karten offen auf den Tisch legen. Madsen will, obwohl der Gesetzgeber diese Umkehr der Beweislast nicht vorsieht, seine Sportler dazu bewegen, jederzeit selbst den Beweis anzutreten, dass sie „sauber“ sind. „Wer an den Vorbereitungsmaßnahmen teilnehmen will, muss sich zu diesen Tests verpflichten, sonst kann er nicht teilnehmen“, sagte der Bundestrainer aus Norwegen. Nur so könne man dem Generalverdacht wirkungsvoll begegnen. Madsen geht es um eine „neue Glaubwürdigkeit, sonst ist der Sport tot“.