: Zurück in den Heimwerkerhimmel
Dieses Leben ein Fest. Am Dienstag ist der amerikanische Künstler Jason Rhoades nach einer Party an Herzversagen gestorben. Er wurde nur 41 Jahre alt
Jason Rhoades’ früher Tod ist fraglos tragisch. Nur 41 Jahre alt wurde der Künstler, der 1965 als Sohn eines Farmers in Newcastle, Kalifornien, geboren wurde. Am Dienstag starb der schon in ganz jungen Jahren zu Ruhm gekommene Materialanhäufer, dem die Kunsthalle Nürnberg mit 32 Jahren eine erste Retrospektive ausrichtete und dabei den Katalog gleich mal als Lexikon anlegte, am Ende einer Party an Herzversagen. Die Pop-Parole „live fast, die young“ erweist einmal mehr ihre Gültigkeit für einen Pop-Künstler. Doch spontan unterspült da ein bisschen Neid die Bestürzung, trotz der bösen Ironie des Szenarios. Jason Rhoades: das Leben ein Fest. Die Beschwernisse der Ebene – nie gekannt.
Die Ebene war nicht sein Ding. Ironie genauso wenig. Die Anhäufung, der Exzess dagegen sehr wohl. Nicht nur, was Sex, Drugs & Rock ’n’ Roll betrifft. Es brauchte wenigstens Hallen für seine Ansammlungen aller möglichen Spiel- und Werkzeuge, Maschinen, Bauteile, Kanister, Filmprojektoren und Monitore. Für seine wüsten, dreckigen, nach Schmieröl, Lack oder Farben riechenden, langwierigen Aufbauten, die schon richtig lärmen und fetzen mussten – und nirgendwo war ein ironisches Zwinkern zu entdecken, das einem einen Ausweg gelassen hätte.
Da musste man durch, durch Jason Rhoades’ monströse Heimwerkerfantasien, in denen er den poetischen Namen einer altmodischen Poliermaschine „Hammond of Kalananzoo (Michigan)“ prompt mit dem Dröhnen einer Hammondorgel assoziierte, wie bei seiner 1.800 Quadratmeter einnehmenden Installation „Perfect World“ in Hamburg 2000 geschehen. Vorgeblich sollte die Anlage eine 1:1-Reproduktion des Gemüsegartens seines Vaters darstellen, der zufällig die gleiche Größe wie die Deichtorhalle hatte.
Die Gartensimulation war im zweiteiligen Aufbau nach oben geständert, die alte Einteilung einer profanen Unterwelt und eines paradiesischen Oben teilte auch Jason Rhoades. Und manchmal entwickelte er in seinen sich selbst immer wieder beinhaltenden Modulen aus dem Schrott der Pop- und Alltagskultur – Originalton Jason Rhoades: „Man weiß nie, wohin die Dinge wirklich gehen: Abfalleimer, Klo, Briefkasten, Computer“ – auch eine fast zarte Poesie im mächtig Groben. Dann allerdings ging seine wenig systematische Assoziationswut auch mal ziemlich daneben. Etwa in St. Gallen 2004, in der Lokremise seiner Galerie Hauser & Wirth, als er Immanuel Kant mit dem Begriff „Cunt“ als Fotze in Verbindung brachte, und diesmal sehr systematisch Kants Geburtsjahr 1724 zum Anlass nahm, 1.724 Cunt-Synonyme in Neonbuchstaben von der Decke baumeln zu lassen. Dazu durften die Besucher über die Wortassoziation „Muschi-Moschee“ meditieren. Das ging damals noch ohne Skandal über die Bühne. Der Kunstbetrieb agiert eben doch in einer argen Nischenregion.
Eigentlich erstaunlich, dass Rhoades immer nur gefiel, dass von keinem Skandal zu berichten ist, trotz einer oft drastisch sexualisierten Symbolik. Seine merkwürdige Jungenskunst, die den Chemie- und Elektrobaukasten ins Gigantische trieb, deren Ursprungsort die Autogarage war – wie so oft im Fall utopischer Weltentwürfe, nahm für ihn ein. Er muss damit doch einen geheimen Sehnsuchtsort benannt haben, auch wenn es nicht jedermanns Sache ist, sich die Anhäufung der Dinge als umfassende, n-dimensionale Mengen zu imaginieren. BRIGITTE WERNEBURG