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Archiv-Artikel

Britischer Diplomat rechnet mit Bürgerkrieg

Eine Lagebericht des bisherigen Botschafters im Irak gelangt an die Öffentlichkeit. Präsident Talabani ist optimistischer

LONDON/BAGDAD rtr/ap/afp ■ Im Irak ist nach Einschätzung des scheidenden britischen Botschafters ein Bürgerkrieg wahrscheinlicher als die Schaffung einer stabilen Demokratie. Das geht aus einem Schreiben des Diplomaten William Patey an Premierminister Tony Blair hervor, das an die Öffentlichkeit gelangte und gestern vom Rundfunksender BBC in Auszügen verbreitet wurde. Patey warnte zugleich davor, dass im Irak die Mahdi-Armee, eine schiitische Miliz, einen „Staat im Staate“ bilden könnte wie die Hisbollah im Libanon.

Die Einschätzung des Botschafters in seinem letzten Schreiben aus Bagdad ist pessimistischer als die bislang von Großbritannien vertretene offizielle Position zur Lage im Irak. „Die Aussicht auf einen Bürgerkrieg geringer Intensität und auf eine faktische Spaltung des Irak ist wahrscheinlicher als ein erfolgreicher und substanzieller Übergang zu einer stabilen Demokratie“, schrieb der Botschafter laut dem BBC-Bericht.

„Selbst die abgeschwächten Erwartungen des Präsidenten (George W.) Bush hinsichtlich Iraks – eine Regierung, die sich selbst trägt, sich selbst verteidigt, sich selbst führt und die ein Verbündeter im Kampf gegen den Terror ist – müssen bezweifelt werden.“ Die Lage sei dennoch nicht ganz hoffnungslos, schrieb Patey. Die nächsten sechs Monate seien entscheidend. Das britische Außenministerium erklärte zu dem Schreiben Pateys, es kommentiere keine durchgesickerten Dokumente.

Die Einschätzung des Diplomaten wird von hohen irakischen Politikern geteilt. Im vergangenen Monat sagte ein führender Behördenvertreter auf Anfrage, der Irak als politisches Projekt sei am Ende. Es werde schon an einer Aufteilung des Landes entlang religiöser und ethnischer Grenzen gearbeitet.

Der irakische Staatspräsident Dschalal Talabani äußerte sich hingegen zuversichtlich, „dass wir dem Terrorismus in diesem Jahr ein Ende setzen werden“. Bis zum Jahresende würden die irakischen Sicherheitskräfte in allen 18 Provinzen des Landes die Kontrolle übernehmen, sagte er vor Journalisten.

Der schiitische Politiker Abdel Asis al-Hakim regte angesichts der anhaltenden Gewalt die Aufstellung von Bürgerwehren an. Einwohner eines jeden Stadtviertels sollten sich zusammenschließen, um die Sicherheitskräfte zu unterstützen, erklärte der Vorsitzende des schiitischen Parteienbündnisses Vereinigte Irakische Allianz. Diese Bürgerkomitees sollten „den Irak, seine Religion, seine Würde und seine Menschen verteidigen“. Auch gestern wieder starben bei einem Anschlag auf einen Elektromarkt in der Innenstadt von Bagdad mindestens zehn Menschen, etwa zwanzig wurden nach Angaben des Verteidigungsministeriums verletzt. Im Fluss Tigris wurden neun Leichen entdeckt. Wie die Polizei mitteilte, waren mindestens zwei der Toten gefesselt und hätten Schusswunden aufgewiesen.

Am Vortag starben bei einem Anschlag in einem Park zehn Menschen, fünfzehn wurden verletzt. Die Bomben seien in der Nähe einer Polizeiwache in die Luft gegangen, „in einem Park, in dem Kinder Fußball gespielt haben“, wie es im Innenministerium hieß. Unter den Opfern seien mehrere Kinder. Die BBC berichtete unter Berufung auf die Polizei, die Bomben seien im Fußballfeld vergraben gewesen.