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Archiv-Artikel

Falkner, nicht Faulkner

MUTTERQUATSCH Die, die Kinder zum Weinen bringt – Claudia Llosas „Aloft“ mit Jennifer Connelly und Cillian Murphy (Wettbewerb)

Für „La teta Asustada“ (deutsch: „Eine Perle Ewigkeit“) hat Claudia Llosa 2009 den Goldenen Bären auf der Berlinale gewonnen. Nun ist die 1976 in Peru Geborene erneut mit einem Wettbewerbsbeitrag auf dem Filmfest vertreten. „Aloft“ kennzeichnet zunächst entschlossen die dieses Mal nordamerikanische Szenerie: Straße, Schnee, Schweinefarm und schneller Sex.

Jennifer Connelly spielt eine Mutter, Nana, die zwei Jungen im Vorschulalter großzuziehen hat. Der Opa hilft. Die introvertiert und oft sehr entschlossen wirkende Nana ist jedoch in vielem überfordert, zum Beispiel bei der Geburt eines Ferkels.

Man könnte aber auch sagen, sie sei unterfordert: Schweinefarm, Land; also einfach zu intellektuell, zu ungewöhnlich, zu entschlossen, um so und dort zu sein. Einer ihrer Jungen, Gully, hat einen nach medizinischen Erkenntnissen unheilbaren Gehirntumor. Die Hinterlassenschaft des abwesenden Vaters ist ein Falke für den älteren Buben „Ivan“ (Cillian Murphy), beide Kinder sind im Vorschulalter.

Und damit wären schon einige der Grundzutaten für Llosas aktuelle Erzählspur genannt: viel Natur (der Falke), unheilbare Krankheit (der Tumor) und eine schwierige Mutter-Sohn-Beziehung. Leider ergibt dies zusammen in diesem Film eine Überdosis an Esoterik.

Wäre da nicht Jennifer Connelly, man könnte die 112 Minuten dieses Dramas nur schwer ertragen. Doch Connelly allein kann die banale Filmprosa auch nicht retten. Es passt einfach nichts zusammen. Es vermittelt sich nicht, wie die so sensibel und taff dargestellte Mutter Nana in den entscheidenden Episoden ihres Lebens mit den Kindern alles falsch gemacht haben soll.

Damit dieses Rührstück von der verlorenen Mutter – welches sich tatsächlich gegen Ende der zäh dahinfließenden Minuten auch noch zum fiesen emotionalen Überwältigungs- und Tränenkino mausert – überhaupt irgendwie Sinn ergibt, sucht Llosa Zuflucht in esoterischen Bildwelten: der hinlänglich bekannte Schamanenmist im Wald (und für die Effekte später am Nordpol). Sie lässt ihre unter Mützen und aus Strickpullovern hervorlächelnden Schauspieler Sätzchen sprechen wie „Die Natur ist unvorhersehbar“, untermalt Bilder vom Flug des Falken mit üblen Streicher- und elektronischen Klangsequenzen.

Man erwartet von einem Falkner nicht, dass er so episch wie ein Faulkner sei. Aber Llosa hat kein Gespür für Schnee, keines für eine in einer Schweinefarm arbeitende nordamerikanische Frau und keines für den Weg eines – zumindest teils – selbstgewählten Außenseitertums. Bei ihr ist alles irgendwie schrecklich und vergängliche Natur. Die Darsteller schweben „wie auf Wolken“ durch die verwehten Schneelandschaften. Jaja. Kann man nichts machen, alles ganz hübsch tragisch hier. ANDREAS FANIZADEH

■ Heute, Haus der Berliner Festspiele, 19 Uhr; Friedrichstadt-Palast, 21 Uhr; 16. 2., Haus der Berliner Festspiele, 12.15 UIhr