: Die Pflegeversicherung schützt nicht vor Armut
ALTER Deutsche Kommunen zahlten im vorigen Jahr 3,7 Milliarden Euro Sozialhilfe für die Pflege alter Menschen, weil deren Renten nicht reichten. Die Sozial-verbände warnen: Die Pflegeversicherung ist gescheitert
BERLIN taz | Das Karlsruher Urteil hat auch Auswirkungen für die Städte und Gemeinden. Denn diese müssen über die Sozialhilfe die Kosten für die Pflege alter Menschen übernehmen, wenn deren Rente nicht ausreicht oder die Kinder nicht zahlen können oder wollen. Der Deutsche Städtetag hat ausgerechnet, dass sich diese Kosten im vergangen Jahr auf 3,7 Milliarden Euro beliefen. Einen Teil dieses Geldes werden sich die Kommunen nun versuchen, sich von den Kindern, die bislang nicht gezahlt hatten, zurückzuholen.
Dass Pflegebedürftige überhaupt Gefahr laufen, in die staatliche Abhängigkeit zu geraten, liegt daran, dass die 1995 unter dem damaligen Sozialminister Norbert Blüm (CDU) eingeführte gesetzliche Pflegeversicherung stets nur eine Teilkaskoversicherung war. Der Staat erwartet, dass die Menschen zusätzlich selbst vorsorgen. Viele aber können das nicht. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts erhielten 2012 rund 439.000 Menschen in Deutschland Hilfe zur Pflege. Das sind 3,8 Prozent mehr als im Vorjahr. Der Paritätische Wohlfahrtsverband geht sogar davon aus, dass mehr als 40 Prozent der insgesamt rund 700.000 Heimbewohner Sozialhilfe brauchen. „Damit ist die Pflegeversicherung gescheitert“, sagte der Verbandsgeschäftsführer Werner Hesse. Ähnlich sieht es der Präsident des Bundesverbands privater Anbieter (bpa), Bernd Meurer: Das Ziel der Pflegeversicherung, das Abrutschen in die Armut allein aufgrund von Pflegebedürftigkeit zu verhindern, sei unerreicht. Die Leistungen für Heimbewohner seien seit Jahren nicht erhöht worden, schimpfte Meurer.
Dass mehr Geld gebraucht wird, gilt als unbestritten: Nach Angaben des Statistischen Bundesamts wird die Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland von derzeit etwa 2,5 Millionen Menschen bis 2020 auf etwa 3 Millionen erhöhen. HEIKE HAARHOFF