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Archiv-Artikel

„Die Mauer in den Köpfen sprengen“

Israelische und palästinensische Jugendliche trafen sich mit deutschen Studenten in Berlin, um über Friedensfragen zu diskutieren. Trotz vieler Schwierigkeiten haben einige dabei ihr ganz persönliches Friedensabkommen geschlossen

VON EVA GNÄDIG

„Die Deutschen haben es geschafft, die Mauer abzureißen. Dann können wir das in Israel vielleicht auch schaffen.“ Rim ist Palästinenserin. Sie studiert in Ramallah Finanzmanagement und ist eine von 17 Jugendlichen aus Israel und Palästina, die auf Einladung der Jusos für zehn Tage Deutschland besucht haben. Gemeinsam mit deutschen Jugendlichen erörterten sie – im Rahmen von Seminaren und Diskussionen – Wege, sich für Frieden einzusetzen. Das Programm wurde unter anderem vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gefördert.

Nach fünf Tagen Aufenthalt in Bonn besuchten die Jugendlichen in der vergangenen Woche Berlin. Auf dem Programm standen Seminare zu Willy Brandts Friedenspolitik und die Rolle der deutschen Nahostpolitik. Organisiert wurden auch der Besuch des Denkmals für die ermordeten Juden Europas und des Regierungsviertels.

Am meisten beschäftigt Rim der Fall der Berliner Mauer. „In Israel steht die Mauer noch. Deswegen engagiere ich mich.“ Auch Ahmad, der neben ihr sitzt, ist Palästinenser. Sein Bruder werde als Gefangener in Israel festgehalten, weil er sich politisch für die Young Fatah engagierte, erzählt er. Ahmad hat sich im Rahmen des Programms mit einem Israeli angefreundet: Yoav ist bei der israelischen Armee. Weil er sich weigerte, in den besetzten Gebieten eingesetzt zu werden, saß er 35 Tage in Haft. Er hat Angst vor seiner Rückkehr nach Israel, denn er weiß nicht, was ihn dort erwartet. Aber Yoav ist dankbar und stolz, in Ahmad einen Freund gefunden zu haben: „Wir streiten sehr viel. Gerade wenn es um mögliche Lösungen des Konflikts geht. Aber wir sind uns sehr viel ähnlicher, als wir dachten.“ Sie lachen: Beide seien beispielsweise zu den morgendlichen Treffen immer zu spät gekommen. „Ahmad und ich haben unser eigenes Friedensabkommen geschlossen“, meint Yoav.

„Es war für mich eine intensive Erfahrung hier“, sagt auch Emmanuel. Der Israeli studiert Jura in Jerusalem und zeigt sich überrascht von der guten Kommunikation untereinander: „Durch die offene Diskussion bekam ich ganz neue Ansichten, die mir hoffentlich helfen werden, zu Hause Dinge anzuregen.“ Alle Jugendlichen sind sich einig: Die Diskussionen waren zum Teil sehr aufgeheizt. Aber spätestens bei einem gemeinsamen Bier abends in der Kneipe wurde ihnen bewusst: Kommunikation ist der erste und wichtigste Schritt, Frieden zu ermöglichen. Deshalb werden sie die gewonnenen Erfahrungen und Erkenntnisse auch mit ihrem Freunden zu Hause teilen.

„Die Jugend hat eine besondere Aufgabe, den Friedensprozess voranzutreiben“, sagt Cordula Drautz, stellvertretende Bundesvorsitzende der Jusos. Sie hat die jungen TeilnehmerInnen in Berlin mitbetreut und ist sehr zufrieden mit dem Projekt. „Die Idee für das Seminar bestand schon lange. Doch aus unserer Sicht war es nie wichtiger als jetzt, die Kommunikation in der Region zu fördern.“ Die jungen TeilnehmerInnen zeigten, dass es politische Alternativen zu den gewalttätigen Auseinandersetzungen gebe. „Wir versuchen mit diesem Austausch die Grenzen und Mauern in den Köpfen zu sprengen.“

Drautz möchte den jungen Palästinensern und Israelis mit dem Deutschlandbesuch auch einen Perspektivenwechsel ermöglichen. Die teilnehmenden deutschen Studenten werden dafür im September für 10 Tage nach Jerusalem fahren. „Wir wollen durch kontinuierliche Zusammenarbeit etwas erreichen. Nicht nur durch das Strohfeuer eines einmaligen Kontaktes“, erklärt eine junge Deutsche ihre Teilnahme. Auch sie fand die ungezwungenen Diskussionen abends am spannendsten. Jetzt freut sie sich auf die Fahrt nach Israel. „Was wir tun können, ist, einen Dialog zu beginnen und aufrecht zu erhalten. Um damit auf längere Sicht wirklich Dinge zu verändern.“