Der Wochenendkrimi
: Greiser Gönner, toter Gönner

„Polizeiruf 110: Er sollte tot“, So., 20.15 Uhr, ARD

Nein, Liebe kann man sich natürlich nicht kaufen. Aber die Hoffnung, mit seinen Altersrücklagen ein wenig Zuwendung erwerben zu können, muss doch erlaubt sein. Also helfen die alten Herren aus dem Münchner Umland der netten jungen blonden Frau, die sie per Kontaktanzeige kennengelernt haben, gern mit ein paar tausend Euro aus. Schließlich hat sie versprochen, ihnen den Haushalt zu organisieren und es sich mit ihnen in der Eichenfurnierheimeligkeit so richtig gemütlich zu machen.

Für die Prostituierte Maria (Rosalie Thomass) stellte die sanfte Abzocke eine gute Möglichkeit dar, die exorbitante Summe zusammenzubringen, mit der sie sich von ihrem Zuhälter freikaufen kann. Doch irgendwas muss schief gelaufen sein, denn einer der greisen Gönner liegt halb erschlagen, halb erwürgt in seinem Eigenheim. Der Münchner Kommissar Tauber (Edgar Selge) rekonstruiert die Tat nun in langen Verhören mit der jungen Frau und wird dabei mit einem Warensystem aus Sexualität und Sehnsüchten konfrontiert.

Regisseur Dominik Graf und Autor Rolf Basedow sind bereits vor drei Jahren mit ihrem Ludendrama „Hotte im Paradies“ tief in die ökonomischen Dynamiken des Rotlichtmilieus eingestiegen. Damals porträtierten sie den Zuhälter als Ich-AG im globalisierten Sexgewerbe. Mit dem „Polizeiruf 110“, wie „Hotte“ für den BR produziert, nähern sie sich dem Geschehen nun aus entgegengesetzter Perspektive. So zeigen sie die Welt der käuflichen Liebe, diesen Prototyp eines neoliberalen Wirtschaftssystems, nicht mehr aus Sicht des glücklosen entrepreneurs, sondern aus der der billigen Arbeitskraft.

Als eindimensionales Opferlamm wird ihre Hauptfigur trotzdem nicht in Szene gesetzt. Dem Ermittler präsentiert sich eine junge Frau, die zwar einerseits am Stadtrand der prosperierenden Landeshauptstadt die Warenlogik von Gefühlen fatal verinnerlicht hat, andererseits aber mit bösem Witz und unendlicher Wut aus diesem kommerziellen Kreislauf auszubrechen versucht.

Basedow hat für sein Skript einen realen Fall in Schleswig-Holstein recherchiert, Graf verdichtet ihn zu einem bayerischen Vorstadtschocker. „Er sollte tot“ ist allerdings keine dezidierte Milieustudie. In den Details dieses mit Zooms, Abblenden und bizarren Close-ups inszenierten Hurendramas (Kamera: Alexander Fischerkoesen) liegt zwar eine schmerzliche Präzision, die Komplettanalyse aber verweigert Graf. Es ist, als halte man eine Taschenlampe in ein Verlies der Ausbeutung: Im Flackern der Bilder manifestiert sich so viel psychoökonomische Grausamkeit, dass einem das Herz stehen bleibt. CHRISTIAN BUSS