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Archiv-Artikel

„Schlimmer geht’s nimmer“

aus STUTTGART SABINE HERRE

■ Salami 1a aus der Reihe BioBio von Plus, 125 Gramm für 1,49 Euro. Da Vincent Klink gerade ein Buch über Wurst und ihre Herstellung geschrieben hat, lockt ihn die rosarote Salami des Discounters Plus besonders. Zumal die wiederverschließbare Plastikpackung die nicht zu übersehende Aufschrift „mit probiotischen Kulturen“ trägt. Bio! Kultur! Das muss etwas ganz Besonderes sein – könnte man meinen. Tatsächlich jedoch handelt es sich um Starterbakterien, die den Reifeprozess der Wurst in Gang bringen und sie in kürzester Zeit verkaufsfertig werden lassen. Klink: „Früher brauchte eine Salami mehrere Monate Lufttrocknung, bevor sie eine wirkliche Salami war. Heute geht das mit Hilfe der Starterbakterien in wenigen Stunden.“ Und auch im Geschmack kommt die Wurst nicht gut weg: „Sie schmeckt fast nur nach Rauch und außerdem ziemlich sauer.“ Warum Letzteres so ist, verrät eine viel kleinere Packungsaufschrift: „Ascorbinsäure“.

■ Weichkäse mit Rotkulturen, Marke Bioness von Lidl, 150 Gramm für 99 Cent. Fast wie ein handgemachter Käse sieht er aus, der runde Weichkäse von Lidl. Schimmelpilze wie bei einem Camembert und außerdem diese leicht rötliche Farbe wie bei einem Romadur oder einem Reblochon. Letztere stammt normalerweise von so genannten Rotkulturen: Bakterien in Salzlake, mit denen der Käse während des Reifungsprozesses immer wieder abgewaschen wird.

Doch beim ersten Biss in den Lidl-Käse ist es vorbei mit dem positiven Eindruck. Aber was heißt schon Biss? Klink: „Butter, Butter, ich habe den ganzen Mund voll Butter.“ Der Schwabe aus Gmünd sagt, dass dies ein „echtes mouthfeeling“ sei, und genau dieses werde bei der Kundschaft immer beliebter. Ansonsten jedoch schmecke der Käse nach gar nichts. Klink: „Ein perfekt gemachter Fadkäse.“ Und dann stellt sich noch die Frage: Warum enthält der vollkommen weiße Käse – wie auf der Verpackung angegeben – Paprika, wenn seine rötliche Haut doch von den Rotkulturen stammen soll?

■ Frankendamer aus der Reihe Prima Bio von Aldi, 200 Gramm für 1,59 Euro. Klinks Urteil über diesen Hartkäse ist schnell gefällt: „Der schmeckt schlechter als ein konventioneller Scheiblettenkäse von der Tankstelle. Ein gutes Grundprodukt, die Biomilch, wird industriemäßig verarbeitet und so verhunzt.“ Der Kunde, der denke, dass er unter der Bezeichung Bio etwas qualitativ Besseres kaufe, werde verdummt. „Schlimmer geht’s nimmer.“

■ Bio-Müsli von Aldi, 375 Gramm für 1,79 Euro. „Noch vor wenigen Jahren bestand ein Müsli aus Haferflocken und war eine Alternative zu den süßen Kellogs-Produkten aus den USA. Doch inzwischen werden die Fertigmüslis diesen immer ähnlicher“, sagt Klink. Das gilt auch für das Müsli von Aldi, das vor allem aus Crunchys und gefriergetrockneten Früchten (Anteil 3 Prozent) besteht. „Das schmeckt zunächst ganz gut, unheimlich süß natürlich, doch ich habe schon jetzt auch einen sauren Geschmack im Mund. Dieser kommt von dem verwendeten Backpulver, und das gehört bestimmt nicht ins Müsli.“ Fraglich ist auch, ob ein solches Crunchy-Müsli überhaupt noch gesund ist. Bei einem Fettanteil von 18 Gramm und 439 Kcal je 100 Gramm.

■ Soja-Reis-Drink aus der Reihe BioBio von Plus, ein Liter für 0,89 Euro. Das Produkt kann vor den Augen des Sternekochs bestehen. Es sei nicht „unangenehm süß“, schmecke „leicht nach Tee“, natürlich nach Reis und sei „eine Alternative für all diejenigen, die keine Milch vertragen“. Außerdem enthält es keine Aromazusätze. Klink: „Das ist bestimmt nicht ungesund, aber ich muss es nicht haben.“

■ BioBio-Schupfnudelpfanne von Plus, 450 Gramm für 1,99 Euro. Das Fertiggericht ist für den Sternekoch „okay“. Die Hersteller verzichten auf den Geschmacksverstärker Glutamat, die Biopute hat eine deutlich bessere Qualität als die aus konventioneller Aufzucht, der Brokkoli ist grün und knackig. „Wenn man so etwas täglich isst, ist man sicherlich besser dran als mit Nicht-Bio-Produkten.“

■ EnerBio Vollkornnudeln, 500 Gramm für 0,69 Euro. EnerBio Pesto, 125 Gramm für 2,49 Euro. Diese beiden Produkte der Drogeriekette Rossmann sind die beiden besten der Verkostung. Die Nudeln bestehen aus Hartweizenvollkornmehl, das Pesto schmeckt intensiv nach getrockneten Tomaten und Cashewnüssen. Allerdings stellt Klink die Frage, warum man überhaupt Nudeln aus Vollkornhartweizen essen soll. Der Anteil an Ballaststoffen im Spelz sei gering, und „normale“ gelbe Nudeln würden eben einfach besser aussehen als die braunen. Klink: „Die Ästhetik ist für eine gesunde Ernährung schließlich auch wichtig. Dinge, die nicht gut aussehen, tun auch nicht gut.“

■ Cherrytomaten aus Italien von Lidl, 500 Gramm für 1,99 Euro. Diese Tomaten schmecken genauso schlecht wie Discounter-Tomaten aus konventionellem Anbau. Da sie noch grün geerntet werden und erst auf dem Weg nach Deutschland rot werden, kann dies auch kaum anders sein.

■ EnerBio Olivenöl von Rossmann, Nativ extra, 0,5 Liter für 4,49 Euro. Bei einer Probe der Stiftung Warentest vor einem Jahr erhielt das Bioolivenöl die Note ungenügend. Daher trägt das Etikett nun den Aufdruck „Neue Qualität“. Dennoch kann Vincent Klink ihm nicht viel abgewinnen. Geschmacklich unterscheide sich das Öl nicht von konventionellen Olivenölen aus dem Discounter, die zu diesem Preis angeboten werden. Es schmecke stumpf und sei wohl auch schon etwas älter, in seiner Küche würde Klink es nur zum Anbraten verwenden. Auffällig ist zudem, dass der Hersteller mit keinem Wort verrät, woher die Oliven für das Öl kommen. Selbst auf konventionellen Olivenölen von Aldi steht „aus mehreren Mittelmeerländern“.

■ Finnkorn von Aldi, 260 Gramm für 0,89 Euro. Das Vorbild für dieses Vollkorn-Toastbrötchen kommt – wie der Name sagt – aus Finnland. Seine dunkle Farbe stammt von Gerstenmalzsirup und Roggenmalz, und nach Malz schmeckt es auch. „Nicht schlecht“, sagt Klink, er fragt jedoch, wie es möglich ist, dass das Brötchen in der Frischhaltebox rund sechs Wochen aufbewahrt werden kann. Dies erklärt der Hersteller, die Pro Back GmbH aus Würselen, folgendermaßen: Der Sauerstoff wird aus der Box entfernt und diese stattdessen mit Stickstoff und Kohlendioxid gefüllt. „So kann die Schimmelbildung verzögert werden.“

■ Kirsch-BioJoghurt von Lidl, 150 Gramm für 0,39 Euro. Bei diesem Produkt kennt Klink kein Pardon: „Der schmeckt genauso beschissen wie jeder Normalo-Joghurt aus industrieller Herstellung.“ Der deutliche Kirschton komme vermutlich durch die Verwendung von Kirschkernen. Die rötliche Farbe jedoch stammt mit Sicherheit – so viel verrät die Verpackung – von Roten Beeten, ökologisch angebauten natürlich. Nachdenklich macht den Stuttgarter Koch zudem die Aufschrift „Aroma natürlich“. Denn diese bedeute nur, dass der Aromastoff aus einem pflanzlichen oder tierischen Ausgangsstoff gewonnen werde müsse. „Und ein solcher Ausgangsstoff können auch Sägespäne sein“. Diese Möglichkeit bestätigt auch Bioland – weist aber darauf hin, dass zur Gewinnung von „natürlichem“ Aroma meistens Stärke verwendet wird. Und zum Abschluss sagt Vincent Klink dann noch einmal das, was ihn schon während der ganzen Verkostung beschäftigte. „Warum bekommt jedes Produkt, das aus biologischen Grundstoffen hergestellt wird, das EU-Biosiegel? Ganz egal, wie das Grundprodukt verarbeitet wurde?“