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Archiv-Artikel

Cannabis für Kranke

LEGALISIERUNG Künftig kann Medizin mit Cannabis zugelassen werden. Der Anbau bleibt illegal

Berlin taz | Eine Gesetzesänderung ist es nicht, was die Koalitionsfraktionen am Dienstag beschlossen haben: Künftig dürfen Medikamente, die Cannabis enthalten, in Deutschland als Schmerzmittel zugelassen werden. Die bekamen bisher 38 Patienten nur mit einer Sondergenehmigung.

Nun steht Cannabis in den Anlagen des Betäubungsmittelgesetzes an anderer Stelle, eine formal kleine Änderung. Praktisch dürfen dadurch auch Hospize und ambulante Notdienste für Schwerkranke die Medikamente vorrätig halten. Das Bundesgesundheitsministerium begründete die Änderung mit einem „gewandelten wissenschaftlichen Erkenntnisstand“ – zumindest die Wirkung von Cannabis bei multipler Sklerose wird hier mittlerweile anerkannt. Außerdem darf man künftig Haschmedizin in Deutschland herstellen – allerdings selbst zu medizinischen Zwecken nicht anbauen. Dazu können lediglich Pflanzen importiert werden.

Man wolle keinen freiblühenden Cannabisanbau in Deutschland, sagte die gesundheitspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Ulrike Flach, der taz. „Es wird Ihnen nach wie vor nicht erlaubt sein, Cannabis im Blumenkübel zu züchten“, sagte sie. Nach Gesetzeslage dürften Schwerkranke bisher in Deutschland nur mit Sondergenehmigung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte Cannabisblüten erwerben, nicht anbauen.

Dieses Totalverbot ärgert Franjo Grotenhermen, Arzt und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin. „Man möchte offenbar das gute vom bösen Cannabis trennen“, sagte er. Bisher plant nur das britische Unternehmen GW Pharmaceuticals mit dem Cannabisextrakt Sativex die Zulassung eines Medikaments in Deutschland. In anderen Ländern ist eine Zulassung beantragt, zur Behandlung von Spastik bei MS. Patienten mit anderen Erkrankungen, wie chronische Schmerzen oder Appetitlosigkeit und Übelkeit bei Krebs hätten also selbst bei einer hierzulande im Jahr 2011 möglichen Zulassung keinen Zugang zu entsprechenden Medikamenten, sagt Grotenhermen. „Wenn die Bundesregierung ihre Politik nicht ändert, wird auch in den kommenden Jahren nur ein kleiner Teil der Patienten von einer Therapie mit Cannabisprodukten profitieren können“, sagt er. Ein Sprecher des Gesundheitsministeriums verteidigte sich: Man wolle schwerkranken Patienten wirksame und geprüfte Medikamente zur Verfügung stellen. INGO ARZT