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Archiv-Artikel

Champions League, später

Hertha BSC stapelt vor dem Beginn der Fußball-Bundesliga tief. Erst in drei Jahren soll die Mannschaft wieder europäische Spitzenplätze anstreben. Bis dahin setzt der hochverschuldete Club vor allem auf kostengünstige Nachwuchsspieler

VON JOHANNES KOPP

Bei Hertha BSC Berlin ist man bescheiden geworden – so scheint es. Sowohl Trainer Falko Götz als auch Manager Dieter Hoeneß mochten vor der Saison keine Zielvorgabe formulieren. Die Hauptsache wäre, so hieß es unisono, die Mannschaft zeige Leidenschaft und Teamgeist wie die deutsche Nationalelf bei der WM.

Vor fünf Jahren hatte Hoeneß noch deutlich konkretere Pläne vorgestellt: Der Verein müsse sich in der nationalen Spitze etablieren und im Jahre 2006 wolle er mit der Mannschaft und Meisterschale durchs Brandenburger Tor fahren. Bekanntlich ist daraus nichts geworden. Zwischendurch wäre Hertha sogar fast einmal abgestiegen.

Vor ein paar Tagen gelang es Arne Friedrich bereits, mit der Zielvorgabe Uefa-Cup-Platz für Aufsehen zu sorgen. Trainer Götz gab spitz zurück, jetzt müsse sich Friedrich auf dem Platz auch an diesem hohen Anspruch messen lassen. Er kritisierte zwar seinen Kapitän nicht direkt, ließ aber wissen, dass er selbst aufgrund seiner Erfahrung so etwas nicht gesagt hätte.

Sind Götz und Hoeneß tatsächlich so genügsam geworden? Keineswegs. Die neue Bescheidenheit ist trügerisch. Die Vereinsverantwortlichen haben die Messlatte nämlich nicht niedriger gelegt, sie wollen lediglich ein wenig mehr Anlauf nehmen. Spielt die Mannschaft in drei Jahren nicht um einen Champions-League-Platz, stellte Hoeneß kürzlich fest, hätte man bei Hertha sein Ziel verfehlt. Götz zeigt sich überzeugt davon, im vorgesehenen Zeitrahmen ein Spitzenteam zu formen.

Der derzeitige Stand der Dinge bietet jedoch wenig Anlass für so viel Optimismus. Mit knapp 49 Millionen Schulden ist Hertha auf dem Transfermarkt im Vergleich zur Konkurrenz nur beschränkt handlungsfähig. Sportlich gesehen befindet sich die Mannschaft in einer Umbruchphase. Mit Marcelinho muss Götz künftig auf die dominante Spielerpersönlichkeit der letzten fünf Jahre verzichten.

Nachdem Marcelinho im Sommer erst mit neun Tagen Verspätung aus dem Urlaub zurückgekehrt war, bemühte sich Hertha um eine vorzeitige Trennung von Marcelinho. Man wollte sich nicht durch Nachsicht in noch größere Abhängigkeit zu dem divenhaften Spieler bringen. Kurzzeitig drehte sich noch einmal alles um Marcelinho. Götz ärgerte das: „Wir wollten den Schwung aus der WM mitnehmen. Leider wurde jedoch während der Vorbereitung nur über Marcelinho gesprochen.“

Neben dem brasilianischen Spiellenker muss Hertha nach dem Abgang von Nico Kovac noch eine weitere zentrale Position im Mittelfeld neu besetzen. Notgedrungen vertraut die klamme Hertha in diesen Bereichen auf ihre viel gelobten Nachwuchsleute. Der 19-jährigen Kevin-Prince Boateng fiel bereits in der vergangenen Spielzeit mit seinem Talent auf. Diese Saison hat man weitere vier Spieler aus dem U 23-Team in den Profikader berufen. Die junge Mannschaft soll von wenigen erfahrenen Kräften wie Bastürk, Simunic, van Burik und Friedrich geführt werden. Diese Spieler erklärt Götz für unersetzlich und macht damit auf ein wesentliches Problem seines Kaders aufmerksam. Die Personaldecke ist dünn.

Verstärkungen von außen hat sich Hertha nur für den Sturm geholt. Eine altbekannte Problemzone der Berliner. Der aus Kroatien kommende Srdjan Lakic soll für die Zukunft aufgebaut werden.

Von Christian Giminez erwartet sich Hertha dagegen schon in nächster Zukunft möglichst viele Tore. Der Argentinier wurde erst vor drei Tagen verpflichtet. Seine statistische Erfolgsquote bei Olympique Marseille – nur ein Tor in 21 Spielen – erinnert zwar stark an die seiner Vorgänger in Berlin, doch Falko Götz lässt sich dadurch nicht schrecken. Er sagt, das Spielsystem bei Marseille habe nicht zu den Stärken des mehrfachen Torschützenkönigs der Schweizer Liga gepasst.

Bei Hertha geht es vorerst darum, mit begrenzten Mitteln ein schlagkräftiges Team aufzubauen. Falko Götz hat auch schon eine Vorstellung davon, wie Hertha konkurrenzfähig werden soll: „Der Wille kann Berge versetzen“.

Im Urtext der Bibel ist es ja eigentlich der Glaube, der die Berge versetzt. Aber wo ein Wille ist, ist gewiss auch ein Weg zum Glauben.