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Archiv-Artikel

Verfassungsgericht kippt Militärabkommen mit USA

KOLUMBIEN Aus Expräsident Uribes Plänen einer engen Kooperation wird vorläufig nichts

Derzeit sollen sich rund 300 US-Militärs in Kolumbien aufhalten

PORTO ALEGRE taz | Kolumbiens Regierung steckt in der Klemme: Am Dienstag erklärte das Verfassungsgericht das im Oktober 2009 mit den USA unterzeichnete Militärabkommen als „nicht existent“. Der internationale Vertrag, der den US-Streitkräften Zugang zu sieben Militärbasen erlaubt, sei „sehr weitreichend und unausgewogen“ und hätte deswegen vom Parlament ratifiziert und auch dem Verfassungsgericht vorgelegt werden müssen, entschieden die Richter mit sechs zu drei Stimmen. Ein ähnliches Gutachten des Staatsrates hatte der damalige Präsident Álvaro Uribe ignoriert.

Vor einem Jahr argumentierten beide Regierungen, das Abkommen sei für den Antidrogen- und Antiguerrillakampf unverzichtbar. Eine Kongressvorlage aus dem Pentagon legte allerdings nahe, dass die USA damit ihre Kontrolle über die Region ausweiten wollten. Demnach wäre die Erlaubnis, den zentralkolumbianischen Luftwaffenstützpunkt Palanquero zu nutzen, eine „einzigartige Möglichkeit, Operationen in einer ‚kritischen‘ Region“ durchzuführen, deren „Sicherheit und Stabilität ständig durch Anti-US-Regierungen bedroht sind“.

Von dort aus deckt die Reichweite des Truppentransporters Globemaster C-17 das ganze Amazonasgebiet, Peru und Bolivien ab. In einer Übergangszeit garantiere Palenquero „genügend Luftmobilität auf dem südamerikanischen Kontinent“, heißt es im Strategiepapier der US-Luftwaffe „Global En Route Strategy“. Für den Ausbau der Startbahn hatte Washington bereits 30 Millionen Dollar zur Verfügung gestellt.

Uribe hatte auf das Abkommen gedrängt, um die militärische Kooperation für ein weiteres Jahrzehnt auf eine gesicherte Grundlage zu stellen. Derzeit sollen sich rund 300 US-Militärs in Kolumbien aufhalten, wo sie im Rahmen des „Plan Colombia“ mehr als beratende Funktionen einnehmen. Einer neuen Studie der NGO Fellowship of Reconciliation zufolge begingen seit 2000 jene kolumbianischen Armeeeinheiten die schlimmsten Menschenrechtsverletzungen, die am meisten von der US-Militärhilfe profitierten.

Unklar ist nun, ob Uribes Nachfolger Juan Manuel Santos an dem Projekt festhalten will, das in ganz Südamerika auf Ablehnung gestoßen war. In diesem Fall wäre eine neuer Konflikt mit Venezuela unvermeidlich – Hugo Chávez betrachtet die Pläne als direkte Bedrohung. Zudem drohe eine erneute Ablehnung durch das Verfassungsgericht, da das Grundgesetz von 1991 eine Stationierung ausländischer Truppen nicht vorsehe, meinen linke Parlamentarier. Ein explizites Verbot wie in den neuen Verfassungen Ecuadors oder Boliviens enthält es allerdings auch nicht. GERHARD DILGER