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Archiv-Artikel

Sepp Daxenberger ist tot

NACHRUF Er war Schmied, Ökobauer, Politiker, Weltveränderer. In der Nacht zum Mittwoch erlag der erste grüne Bürgermeister Bayerns einem Krebsleiden. Er wurde 48 Jahre alt

Er wollte Bayern nicht nur mit Diridari auf das 21. Jahrhundert vorbereiten

AUS BERLIN CHRISTIAN FÜLLER

Wenn Politiker wegen einer schweren Krankheit auf ihr Amt verzichten und ein großes persönliches Interview geben, steht der Tod meist vor der Tür. Bei dem bayerischen Fraktionschef der Grünen, Sepp Daxenberger, der gerade mit dem SZ-Magazin ein beeindruckendes Gespräch führte, musste das nicht so sein. Er war dem Tod, wie er es nannte, „nicht nur einmal von der Schaufel gesprungen“. In der Nacht zum Mittwoch war es nun dennoch so weit. Sepp Daxenberger, 48, ist gestorben. Bayern verliert einen außergewöhnlichen Politiker, seine Söhne verlieren einen faszinierenden Menschen.

Der Schmied, Biobauer, Bürgermeister und grüne Spitzenmann war ein Weltveränderer. Er trug maßgeblich dazu bei, die CSU in Bayern an den Rand eines schwarz-grünen Reformbündnisses zu drängen. Daxenberger zog mit 28 in den Landtag und mit 34 ins Rathaus in Waging am See ein. Er wurde der erste grüne Bürgermeister Bayerns und 2002 mit sagenhaften 75 Prozent wiedergewählt. Seine Partei knöpfte der CSU sogar im Gemeinderat die Mehrheit ab. Daxenberger modernisierte seine 6.500-Einwohner-Gemeinde. Er baute ein Biomasseheizwerk, schraubte ein Solardach aufs Feuerwehrhaus und machte Waging schuldenfrei. Das ist jetzt bald 15 Jahre her.

Aber Daxenberger wollte natürlich mehr. Er wollte die ganze Bäckerei und nicht nur ein paar Brötchen. Er wollte die CSU dazu zwingen, das Land nicht nur in Sachen Diridari, also mit Geld, auf das 21. Jahrhundert vorzubereiten. Andere Landwirtschaft, andere Energieversorgung, modernes Bildungssystem, Stopp der Gentechnik, das war sein Programm. „Ich will nicht mehr warten. Wir stellen die Machtfrage jetzt“, sagte Daxenberger der taz vor der letzten Wahl 2008. Dann holte er knapp 10 Prozent. Aber die CSU nahm natürlich die pflegeleichte 8-Prozent-FDP als Koalitionspartner.

Daxenberger war ein Vollblutpolitiker, der hunderte Bauern in einem Bierzelt zum Johlen bringen konnte– und zum Nachdenken. Mit 16 gründete er in Waging einen ökologischen Arbeitskreis und machte sich daran, der CSU ihren Bayernbonus abzuluchsen. „Wir sind genauso Bayern wie die CSU. Wir haben genau dasselbe Recht, diese schöne Landschaft, diese Natur für uns zu beanspruchen“, sagte er.

Nur passte er halt nicht in das Klischee des krachledernen Seppls, das Nichtbayern gern über ihre Südstaatler pflegen. Dieser riesengroße Mann war ein gefühlvoller und kluger Mensch. Daxenberger konnte intelligent und sensibel darüber sprechen, was Krebs bedeutet: für den Körper, den Willen und die sozialen Beziehungen, in denen der Kranke steht. „Lieber Krebs“, sagte er, „ich hab jetzt nicht ewig Zeit, mich mit dir abzugeben. Ich hab noch viele Aufgaben.“ Auf seinem Ökobauernhof zu arbeiten und weiter Politik zu machen war für Daxenberger ger „eine Art psychologische Kriegführung gegen diesen Krebs“. Und es war sein Ansporn für die Momente im Krankenhaus, wenn er das Gefühl hatte, es wäre gut, „jetzt einfach einzuschlafen“. Daxenberger, der drei Söhne hatte, folgt seiner Frau Gertraud, die am Sonntag ebenfalls an Krebs starb.