: Anklage: Völkermord
Das hier abgedruckte Interpol-Fahndungsfoto – das einzige, das von Onesphore Rwabukombe öffentlich existiert – wäre sicherlich nicht geeignet, einen flüchtigen Täter des ruandischen Völkermordes aufzuspüren. Im Falle des früheren Bürgermeisters von Muvumba in Ruanda ist das aber nicht nötig gewesen. Der heute 53-Jährige lebte mit seiner Familie in Deutschland, zuletzt im hessischen Gelnhausen, bis er zunächst zwischen Dezember 2008 und Mai 2009 und dann wieder am 26. Juli 2010 in Untersuchungshaft kam. Am gestrigen Mittwoch gab die Generalbundesanwaltschaft bekannt, sie habe Anklage gegen Rwabukombe wegen Völkermordes und Mordes sowie Anstiftung zum Völkermord und Mord erhoben.
Das nun zu erwartende Gerichtsverfahren – es gibt noch die theoretische Möglichkeit für das zuständige Oberlandesgericht Frankfurt, die Anklage abzulehnen – wäre der erste Ruanda-Völkermordprozess auf deutschem Boden. Beim Völkermord in Ruanda 1994 wurden über 800.000 Menschen, zumeist Tutsi, auf Anweisung und unter Anleitung der staatlichen Stellen getötet, und Rwabukombe war laut Anklage eines der vielen Rädchen im Getriebe des Genozids.
„Vom 11. bis 15. April 1994 befahl und koordinierte der Angeschuldigte drei Massaker, bei denen insgesamt mindestens 3.730 Angehörige der Tutsi-Minderheit getötet wurden, die jeweils in kirchlichen Gebäuden Schutz vor marodierenden Soldaten, Gemeindepolizisten, Milizionären und Zivilisten gesucht hatten“, heißt es in der Pressemitteilung der Generalbundesanwaltschaft über die Anklageerhebung. Schon vorher, in der Nacht zum 9. April – zwei Tage nach Beginn der Massaker – habe er einem ihm unterstellten Gemeindebeamten befohlen, Tutsi-Flüchtlinge, die in dessen Haus Zuflucht gefunden hatten, wieder wegzuschicken.
Ob Deutschlands Justiz auf so etwas vorbereitet ist, bleibt abzuwarten. Jedenfalls waren die Ermittlungen, die die deutschen Behörden vor Ort in Ruanda geführt haben, ein erster Testfall. Das Verfahren wird nun zeigen, ob dies auch in deutschen Gerichtssälen funktioniert.
DOMINIC JOHNSON