Ein rein künstlicher Zufall

Beim Tetris fügt sich eins zum andern. Ähnlich wie in Bremerhaven, wenn’s um staatlich finanzierte Kunst am Bau geht

Über Kunst lässt sich bekanntlich streiten. In Bremerhaven sorgt jetzt eine Installation der Bremer Künstlerin Ingelore Kreienborg-Lüneburg für Aufsehen – beziehungsweise die Frage, warum das Werk überhaupt den Weg in die Seestadt fand.

Das 8.000 Euro teure metallene Wandrelief, auf dem an Tetris-Steine erinnernde geometrische Formen zu sehen sind, hängt im Eingangsbereich des Technologieparks t.i.m.e.Port II am Neuen Hafen. Das Gebäude hat die städtische Bremerhavener Wirtschaftsförderungsgesellschaft BIS errichtet, auf einem Grundstück der ebenfalls städtischen Bremerhavener Entwicklungsgesellschaft Alter/Neuer Hafen (BEAN). Deren Geschäftsführer heißt Alfred Lüneburg – und ist der Ehemann der Künstlerin.

„Reiner Zufall“ sei diese Verbindung, versichert Volkert Osterloh, für den t.i.m.e.Port zuständiger Bereichsleiter der BIS. Die BEAN habe mit dem Bau des Gebäudes direkt gar nichts zu tun. „Im Laufe der Bauzeit haben wir festgestellt, dass die kahle Wand im Eingangsbereich geradezu nach einer Kunstinstallation schreit.“ Eine Ausschreibung habe es nicht gegeben, „das haben wir bei einem so kleinen Projekt nicht für nötig erachtet“. Die Entscheidung für das Werk von Kreienborg sei nicht schwer gefallen: „Sie war die einzige Bewerberin.“ Wieso sich ausgerechnet Kreienborg beworben hat? Osterloh weiß es nicht genau. „Sie hat mir erzählt, dass sie sich häufig bei öffentliche Bauten mit ihren Kunstwerken bewirbt“, berichtet er. Dass die Sache solche Wellen schlagen würde, habe man nicht erwartet. Aber: „Beim nächsten Auftrag, und gehe es nur um fünf Euro, werden wir wohl eine öffentliche Ausschreibung machen.“ Kreienborg war gestern nicht zu erreichen.

Bezahlt wurde das Relief wie das Gebäude auch mit Mitteln aus dem EU-Förderprogramm Urban II. Dieses sollte ursprünglich der Aufwertung des Stadtteils Lehe dienen. 2002 wurde es von der Stadt auf den Bereich Neuer Hafen ausgeweitet.

Heiko Janßen von der Stadtteilversammlung Lehe hätte sich mehr Beteiligung der Bremerhavener auch bei den künstlerischen Accessoires der Bauwerke gewünscht. „Hier entsteht der Eindruck von Vetternwirtschaft, da hätte man mehr Fingerspitzengefühl beweisen müssen.“ Kritik kommt auch aus der Politik. Die Trennung zwischen den beiden Gesellschaften sei lediglich formal-rechtlicher Natur, sagt Denis Pijetlovic, Vorsitzender der Bremerhavener Jusos. Man habe den Eindruck, mit den beiden städtischen Gesellschaften BIS und BEAN entstünde eine Form von Parallelgesellschaft, „in der sich einige Herren eine Art Xanadu am Weserdeich verwirklichen“. Ähnlich sieht man das bei den Grünen. „Dieser Vorfall ist nichts Neues in Bremerhaven“, sagt Fraktionsgeschäftsführerin Anke Krein. Durch die inflationäre Gründung von städtischen Gesellschaften hätten Opposition und Öffentlichkeit kaum noch Möglichkeiten der Kontrolle in der Stadtpolitik.

Ein transparentes Verfahren wäre auch bei einer eher geringen Summe von 8.000 Euro möglich gewesen, sagt der Vorsitzende des Bundesverbandes Bildender KünstlerInnen Bremen, Wolfgang Zach. „Wer behauptet, es hätte nur eine Alternative gegeben, der hat sich nicht richtig informiert.“ Eine Ingelore Kreienborg kennt Zach übrigens nicht. Auch bei der Bremer Kulturbehörde ist über die nach BIS-Angaben „renommierte“ Künstlerin nichts zu erfahren. Delf Rothe