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Archiv-Artikel

„Ich war nie ein Machtmensch“

„Was macht eigentlich Hamburgs Ex-Kultursenatorin Dana Horáková? Sie schreibt Bücher und plädiert für einen neuen Pakt der Jungen mit den Alten. Teil 3 der taz-Serie über Ex-PolitikerInnen

von Petra Schellen

Die Blumen weiß, das Haus weiß, die Tür: blendend. War da was? „Vielleicht die Farbe der Unschuld“, sagt Dana Horáková mit schelmischem Lächeln. Und verweist nicht ohne stolz auf die Stachel und Johannisbeersträucher im Vorgarten.

In einer verschlafenen Siedlung im Norden Hamburgs residiert die ehemalige Hamburger Kultursenatorin seit zwölf Jahren. Sie arbeitet als freie Autorin, schreibt Bücher über Sozial und Kulturpolitik und über Kunstgeschichte und geht auf Lesereisen. Aber es ist vergleichsweise still geworden um die Ex-Politikerin, die mit Schauspielhaus-Intendant Tom Stromberg kämpfte, den Geschichtswerkstätten die Gelder kürzen wollte und Frauenförderung als „nicht zeitgemäß“ bezeichnete.

Inzwischen „habe ich meine innere Balance gefunden“, sagt die 1947 in Prag geborene ehemalige Bild-Journalistin, die jüngst das Buch „Das Christophorus-Projekt“ edierte, das einen Pakt von Alten und Kindern propagiert. „Die Alten“, weiß Horáková, „können den Kindern jene humanistischen Werte vermitteln, die den 68er verloren gegangen sind.“ Lächelt und steigt die weiße Holztreppe ihres Reihenhauses hinauf, das mit Büchern gespickt ist: Sachbücher unterm Dach, Biographien im ersten Stock, Kunsthistorisches im Keller. Gemälde und Zeichnungen ehemaliger Interview-Partner von Hundertwasser bis zu Christo schmücken ihr Wohnzimmer. „Affectionately – for Dana“ steht auf einer Zeichnung Franco Zefirellis. „Mein Lieblingsregisseur. Er hat mich nach fünfstündigem Interview getauft.“ Horáková grinst. „Keine Ahnung, ob er dazu berechtigt war.“ Ein Regal mit feinen Intarsien steht da noch, bis an den Rand mit böhmischen Gläsern gefüllt. „Keine Museumsstücke. Ich benutze sie alle.“

Konventionell sind Wohnung und Bewohnerin ohnehin nicht: Die wichtigsten Kunstwerke hat sie ins Gäste-WC gehängt. Zugegeben, der Raum ist ein bisschen schmal für den Uecker. „Aber eins ist sicher: Da sehen sie alle!“, sagt Horáková und springt zum nächsten Zimmer. Zwei Stockpuppen aus Prag warten in der Ecke des Arbeitsraums. Kein Stäubchen liegt auf dem Boden, der Holzschreibtisch ist leer. „Ich war immer gut organisiert“, sagt Horáková, „nur so konnte ich den Wechsel von der Journalistin zur Kultursenatorin schaffen.“

Und in der Hamburger Kulturbehörde habe es im Grunde nie Probleme gegeben. Wirklich nicht? „Ach, wissen Sie: Diese ganzen Kämpfe um Gelder – das sind doch Rituale.“ Etliche wichtige Personalentscheidungen habe sie getroffen. Um eine Verjüngung sei es ihr dabei gegangen, und dass sie den Vertrag des Schauspielhaus-Intendanten Tom Stromberg nicht verlängert habe, habe allein an seinem Programm gelegen.

Dass sie das Richtige gefördert habe: Davon ist sie überzeugt. Und ein Machtmensch sei sie nie gewesen, sagt sie. Könnte es da eine Kluft zwischen Selbst und Fremdwahrnehmung geben? Das geschönte Image einer Frau, die ihre Macht als Senatorin sehr wohl einzusetzen wusste? Abwehrend und überfordert hatten ihre öffentlichen Auftritte stets gewirkt; vielleicht der Nachhall eines Lebens, das nicht ohne Risse blieb. 1979 war Horáková aus Prag ausgewiesen worden, weil sie die Herausgabe verbotener Bücher organisiert hatte.

Sie geht zum Regal und entnimmt ihm mehrere abgegriffene Bände. Schreibmaschinentexte auf sehr dünnem Papier. Auf der letzten Seite abgezeichnet, um die Kongruenz mit dem Originaltext zu bezeugen. „Die Polizei hat mich mehrmals verhört, um die Namen der Schreiberinnen zu erfahren. Einmal haben sie meine Wohnung bei der Durchsuchung total demoliert.“ Vielleicht ist ihr jetziges Domizil deshalb so aufgeräumt; der Versuch vielleicht, die Vergangenheit in Regale zu packen, um nicht ständig daran zu leiden. Eine Biographie ihres Mannes holt sie noch hervor. Er war Filmregisseur und starb vor 16 Jahren. „Am Tag nach seinem Tod ist meine Mutter gestorben.“

Erfahrungen, die ein Leben nicht leichter machen. „Ich habe nach der Ausweisung wahnsinnig unter dem Verlust der Heimat gelitten.“ Sie hat ein bisschen Wasser in den Augen. „Freiwillig wäre ich niemals dort weggegangen.“ Anschluss an die Exilierten-Szene allerdings hat sie nie gesucht. Dass sie sich absonderte, um den Verlust zu verdrängen, ahnt man nur. „In die Landschaft der Kindheit zurückzugehen – vielleicht ist das ein Motiv für meinen Umzug hierher. Denn das Dorf bei Prag, in dem ich aufwuchs, ist zwar hügeliger, aber als Idyll schon vergleichbar.“

Die eigene Kindheit, fremde Kindheiten – ob das zusammenhängt? Schon als Senatorin war Horáková auf Kinderkultur fixiert; was Wunder also, dass ihr Buch für einen neuen Bund der Generationen plädiert? „Die Kinder aus der Siedlung zum Beispiel besuchen mich oft und wollen Geschichten hören“, sagt Horáková. Jahrelang hat sie im Keller ihres Hauses eine Leihbibliothek für Kinder unterhalten.

Einen Spielplatz hat sie vor dem Fenster, und architektonisch scheint die Siedlung für ihr Anliegen wie geschaffen: alte Häuser mit alten Bewohnern auf der linken, Neubauten mit jungen Familien auf der rechten Straßenseite. Jetzt müssen sie sich nur noch finden, die Jungen und die Alten.

„Wenn man ein Buch schreibt, ist man davon völlig in Anspruch genommen“, sagt Horáková. „Da passt nichts anderes in den Kopf. Abgesehen davon, dass ich beim Schreiben klassische Musik höre. Ich besitze wohl alle ,Te Deums‘, die es gibt. Das Problem ist nur, dass ich immer mitsinge. Da muss ich mir mal was einfallen lassen.“