: Die Renaissance der Cevapcici am Kottbuser Tor
Die Gastro-Kritik: Das Stari Most in Berlin-Kreuzberg ist eine exjugoslawische Cevapcinica mit allem, was dazu gehört
Balkan-Restaurants gab es früher in jeder größeren westdeutschen Ortschaft. Dort aß man Gerichte aus dem damaligen Jugoslawien, vor allem „Cevapcici“, gebratene Würstchen aus sehr fein zerkleinertem Hackfleisch, die mit einer Paprikasoße namens „Ajvar“ gereicht wurden. Dazu gab es „Djuvec“, einen Kuchen aus Reis und verschiedenem Gemüse, „Sopska“ bzw. Balkan-Salat aus Grünzeug, Gurken-, Tomaten und Zwiebelstückchen mit geriebenem Käse darüber, dann einen „Slivovica“ genannten Pflaumenschnaps und zum Abschluss türkischen Mokka.
Mittlerweile muss man Balkan-Restaurants in Deutschland suchen. Über ein Jahrzehnt Krieg haben das Branding „Jugoslawische Küche“ so nachhaltig beschädigt, dass sich heute kaum noch ein Mensch davon angezogen fühlt. Dafür haben die Flüchtlinge, die in den Neunzigern kamen, zwei Arten von neuen Restaurants mitgebracht: Die „Burekdzinica“ (sprich: Burekdschinitza) und die „Cevapcinica“ (Tschewaptschinitza). In letzterer gibt es, wie der Name schon sagt, die Hackfleischröllchen – aber diese werden nicht wie im Jugo-Restaurant selig mit Djuvec und Balkansalat serviert, sondern mit gewürfelten Zwiebeln in einem „Somun“ genannten, im Fett der Cevapcici angebratenen Fladenbrot.
Wer in Berlin gute Cevapcici sucht, muss sich zum Kottbusser Tor bewegen. Dort liegt zwischen einem türkischen Barbier und diversen anderen Einrichtungen der orientalischen Community Berlins das Stari Most (Alte Brücke): eine klassische Cevapcinica. Typischerweise ist das Stari Most – gelinde gesagt – einfach eingerichtet. Tische und Stühle, der Ausschank mit den rohen, gekühlten, säuberlich hinter Glas gestapelten Cevapcici, eine Espressomaschine, das war’s.
Umso mehr überraschen Qualität und günstiger Preis der Speisen. Neben Cevapcici im Fladenbrot bereiten Ria und Jusuf Imeri, das ausgesprochen freundliche bosnisch-albanische Inhaberpaar, täglich Suppen zu, etwa die zu Jugo-Restaurant-Zeiten als „serbische Bohnensuppe“ bekannte „Pasulj“. Wer sich für die Hackfleischwürstchen entscheidet, sollte unbedingt nach Kajmak fragen, denn der gesalzene Schmant, den die Imeris selbst herstellen, ist die Krönung jeder Cevapcici-Mahlzeit.
Wer etwas wirklich Neues ausprobieren will, muss den umwerfenden „Burek“ probieren. Der Bruder des türkischen Börek wird den ganzen Tag über frisch hergestellt und ist daher immer saftig. Im Stari Most gibt es mehrere Sorten: In der Grundausstattung ist der Jufka-Teig mit Hackfleisch gefüllt, in der „Sirnica“ ist Frischkäse, in der „Zeljanica“ Spinat oder Mangold und in der „Krumpirusa“ sind gewürzte Kartoffelstückchen. Dazu muss flüssiger Joghurt getrunken werden – sonst ist es nur der halbe Genuss. RÜDIGER ROSSIG