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Archiv-Artikel

Vertreter des Zentralrats kritisiert Israel

Bisher kamen vom Zentralrat der Juden nur Solidaritätsbekundungen mit Israel. Doch nun missbilligt mit Rolf Verleger erstmals ein Mitglied des Direktoriums die Militäraktionen. Auch für die Haltung der Zentralratschefs hat Verleger keinerlei Verständnis

AUS BERLIN PHILIPP GESSLER

Die vehemente Parteinahme des Zentralrats der Juden für Israel im gegenwärtigen Libanonkrieg stößt auch innerhalb des Zentralrats auf scharfe Kritik – wenn auch bisher nur durch eine einzige Stimme. Rolf Verleger, Mitglied des Direktoriums des Zentralrats, verurteilt in einem intern verschickten Brief „Israels Gewaltpolitik“. Zudem wirft er dem Präsidium des Zentralrats vor, er verschweige in öffentlichen Stellungnahmen die dunkle Seite der gegenwärtigen israelischen Politik im Libanon und gegenüber den Palästinensern.

Seit Ausbruch des Krieges vor knapp vier Wochen hat der Zentralrat mehrfach öffentlich seine Solidarität mit Israel bekundet und „einseitige Kritik an Israel“ scharf zurückgewiesen. Besonders spektakulär war ein Aufruf vom 21. Juli, in dem es unter anderem heißt, „die Verantwortung für die aktuelle Situation trägt jedoch nicht Israel, sondern die libanesische Regierung“, da sie der UN-Verpflichtung nicht nachgekommen sei, die Hisbollah zu entwaffnen – nicht zufällig ist dieser „Aufruf“ auch als Erstes auf der Startseite der Zentralrats-Internetseite zu lesen.

In einem Brief an das Präsidium des Zentralrats, weitergeleitet auch an die anderen Direktoriumsmitglieder, protestierte Verleger dagegen, dass das Präsidium „öffentlich Partei für die militärischen Maßnahmen der israelischen Regierung gegen den Libanon ergriffen“ hat: „Dazu kann und will ich nicht schweigen.“ Es sei ihm zwar „klar, dass Sie damit die Mehrheitsmeinung der Juden in Deutschland ausdrücken“. Er hätte jedoch vom Präsidium „noch etwas mehr erwartet“.

Verleger, 54, ist von Beruf Professor für Neurophysiologie am Lübecker Universitätsklinikum. Er vertritt die orthodox geprägten jüdischen Gemeinden Schleswig-Holsteins.

Nach seiner Ansicht vervielfacht die Militäraktion Zorn, Wut und Gewalt in der Region. Die Präsidiumsmitglieder wüssten so gut wie er selbst, „dass der Anlass für den Hisbollah-Terror gegen Israel der ungelöste Palästina-Konflikt ist“. Verleger erinnert an historische jüdische Autoritäten wie Rabbi Akiba. Der habe das wichtigste Gebot des Judentums in dem Spruch „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ erkannt: „Das glaubt mir doch heutzutage keiner mehr, dass dies das ‚eigentliche‘ Judentum ist, in einer Zeit, in der der jüdische Staat andere Menschen diskriminiert, in Kollektivverantwortung bestraft, gezielte Tötungen ohne Gerichtsverfahren praktiziert, für jeden getöteten Landsmann zehn Libanesen umbringen lässt und ganze Stadtviertel in Schutt und Asche legt. Ich kann doch wohl vom Zentralrat der Juden in Deutschland erwarten, dass dies wenigstens als Problem gesehen wird.“

Von der Präsidentin des Zentralrats, Charlotte Knobloch, erhielt Verleger eine ablehnende Antwort, die er jedoch nicht veröffentlicht sehen will. Die Antworten von zwei anderer Präsidiumsmitglieder, Hanna Sperling und Heinz Joachim Aris, deren Briefe der Zentralrat im Direktorium verschickte, zeigen keinerlei Verständnis für Verleger.