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Archiv-Artikel

Die Lage wird kritisch

Nach fast vier Wochen Krieg wird die Lage für die libanesische Zivilbevölkerung immer kritischer. Die israelische Luftwaffe zerstörte gestern nach Angaben aus Sicherheitskreisen und einer Hilfsorganisation den letzten großen Transportweg für Hilfsgüter in die südlibanesische Hafenstadt Tyrus.

Die einzig verbliebene Brücke über den Litani an der Mündung des Flusses ins Mittelmeer sei zerbombt worden, sagte ein Vertreter der Gruppe Ärzte ohne Grenzen (MSF). Nun könne ein Konvoi mit Lebensmitteln, Medizin und Benzin nicht mehr wie geplant nach Tyrus fahren. Das israelische Militär habe der Organisation zudem mitgeteilt, dass für die an dem Transport beteiligten Mitarbeiter keine Sicherheitsgarantien gegeben werden könnten. „Wenn wir weitermachen, dann auf unser eigenes Risiko“, sagte der MSF-Vertreter. Die Gruppe denke nun darüber nach, die Hilfslieferungen am Flussbett abzuladen und dann per Hand auf die andere Seite zu schaffen. Die Brücke stand etwa zehn Kilometer nördlich von Tyrus, wo zuletzt besonders heftig gekämpft worden war.

Angesichts der Kämpfe musste gestern ein Schiff des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), das Tyrus mit Hilfsgütern anlaufen sollte, in die weiter nördlich gelegene Stadt Sidon umgeleitet werden. Eine Sprecherin des IKRK äußerte ihre Besorgnis über die Lage der Bevölkerung im Südlibanon. Seit drei Tagen hätten Hilfsorganisationen keinen Zugang mehr zu der Region. Die Menschen in der Dörfern versteckten sich in den Kellern. Sie seien dringend auf Hilfsgüter und Treibstoff angewiesen: „Treibstoff ist unerlässlich, um die Wasserpumpen in Betrieb zu halten.“

Generell werfen Hilfsorganisationen Israel vor, ihnen den Zugang zu den Krisengebieten zu erschweren. Fast eine Million Menschen sind auf der Flucht und benötigen dringend Hilfe. Erst am Sonntag hatte ein israelischer Luftangriff nur knapp einen UN-Hilfskonvoi verfehlt. Dabei wurden zwei Zivilisten getötet.

Bei den israelischen Luftangriffen wurden große Teile der Infrastruktur wie Straßen, Brücken, Häfen und Flughäfen zerstört. Die Energie- und Wasserversorgung sowie das Telefonnetz wurden ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen.

Der Leiter von Caritas International, Martin Salm, sagte gestern im Südwestfunk, bereits jetzt gebe es kaum noch Verkehr und Handel. Hinsichtlich der Lage der Flüchtlinge sagte Salm: „Ihre Lage ist wirklich verzweifelt. Es wird kaum Rücksicht genommen.“ Hilfslieferungen seien sehr, sehr schwierig. Das Schlimmste sei die Traumatisierung der Menschen, vor allem der Kinder.

Immerhin gehen Hilfslieferungen von der Mittelmeerinsel Zypern aus weiter. Gestern sollte das griechische Marineschiff „Chios“ mit rund 400 Tonnen Gütern an Bord Beirut anlaufen. „Die Hilfslieferungen dauern an“, sagte der für die Logistik zuständige Beamte des Außenministeriums von Nikosia, Periklis Stivaros. „Ob sie auch die betroffenen Menschen erreichen, das können wir hier nicht sagen.“

Das ist in der Tat vor allem dann ein Problem, wenn die Güter in andere Landesteile geschickt werden sollen. Mit der Bombardierung der Straßen und Brücken sind die Verbindungen etwa in den Süden oder die Bekaa-Ebene im Osten erheblichen Behinderungen unterworfen. Hinzu kommt, dass nur wenige Lastwagenfahrer bereits sind, die dringend benötigten Güter zu transportieren, weil sie Angst vor israelischen Luftangriffen haben. Wiederholt wurden Lkw bombardiert, nach Angaben der israelischen Armee, weil sie Waffen für die Hisbollah-Miliz tranportiert hätten. RTR, DPA, AP, TAZ