WAS BISHER GESCHAH (8)
: Manifest für neues Kino

Die Fragen sind die gleichen – in New York, Tanger und Kairo

Mehr als 400 Filme laufen auf dieser Berlinale. Filme, von denen man die meisten nicht sehen kann, so ist das nun mal bei einem Festival. Was passiert danach mit diesen Filmen? Ein paar kommen in den Verleih, ein paar in die Streaming-Portale, die meisten kommen ins Archiv. Und das war es dann? Natürlich nicht. Danach beginnt die eigentliche Arbeit der Historisierung und Evaluierung, die Arbeit der Filmgeschichte. Dafür gibt es eine eigene Institutionsform: die Kinemathek beziehungsweise das Filmmuseum. Diesem Thema widmete sich am Donnerstagnachmittag eine Diskussion in der Berlinischen Galerie, die im Rahmen des Kongresses „What Do We Know When We Know Where Something Is?“ stattfand. Dass ausgerechnet das Forum Expanded als Veranstalter fungierte, hat einen gewissen, allerdings pointierten Sinn.

Denn diese aus dem Forum herausgewachsene, experimentelle Sektion arbeitet ja zugleich an der Auflösung des geläufigen Paradigmas, dass Filme im Kino ihren essenziellen Ort haben und dass sich alles feinsäuberlich um einen Kanon abendfüllender Filme herum zu gruppieren habe.

Zum Thema eines „Manifests für eine neue Kinemathek“ sprachen Bouchra Khalili aus Marokko, Tamer El Said aus Ägypten, Dennis Lim aus den USA sowie Birgit Kohler und Stefanie Schulte Strathaus aus Berlin, beide Vertreterinnen des Arsenals – Institut für Film und Videokunst. Die Erfahrungen aus Berlin wie aus New York standen dabei in einer bezeichnenden Entsprechung zu den Erfahrungen aus Kairo und Tanger. Kinematheken entstehen ja nirgends auf dem Reißbrett, sondern bilden sich aus sehr spezifischen Umständen heraus: aus der Rettung eines alten Kinos, wie es Khalili schilderte, oder aus dem Wunsch, sich aus der Umklammerung einer staatlichen Filmwirtschaft zu lösen, wie es in Ägypten der Fall ist, wo in Kairo im Mai eine Kinemathek eröffnet werden soll.

In beiden Fällen stehen Künstler hinter dem Projekt einer Kinemathek, und sie würden eigentlich gern (wieder) kreativ arbeiten, stecken aber Zeit und Energie in etwas, das eigentlich der Filmvermittlung dient. Dennis Lim, der seit einer Weile als Kurator für die New Yorker Film Society of Lincoln Center arbeitet, schilderte im Vergleich die Situation einer gut ausgestatteten Institution in einer der kulturellen Hauptstädte der Welt. Aber auch dort sind die Fragen die gleichen – wie kann man eine Institution etablieren oder ihren Status erhalten, während man gleichzeitig neue Koordinaten für die Präsentation von Film erarbeitet? „Unsere einzige Chance ist es, experimentell zu sein“, sagte Bouchra Khalili und brachte damit die Programmatik „neuer Kinematheken“ auf einen Punkt, der ohne Weiteres als Manifest durchgehen kann.

BERT REBHANDL