: Im Schlaraffenland der Postmaschinen
GEZ Auf eine der meist gehassten Institutionen Deutschlands kommen unruhige Zeiten zu. Mit der Umstellung der Rundfunkgebühr 2013 ändert sich fast alles in Köln-Bocklemünd – nur die Aufgabe bleibt gleich. Ein Hausbesuch
■ 7.604.232.804 Euro und 85 Cent hat die GEZ im vergangenen Jahr für ARD, ZDF und Deutschlandradio „eingezogen“. Den Job macht sie schon seit 1976. Davor kümmerte sich die Post darum, das Geld für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk einzusammeln.
■ Gut zwölf Millionen Umzüge von potenziellen Gebührenzahlern melden die Einwohnermeldeämter pro Jahr der GEZ. Damit ihr niemand durch die Lappen geht, greift sie zusätzlich auf Adresshändler zurück.
■ 1.100 „Gebührenbeauftragte“ sind zusätzlich als freie Mitarbeiter unterwegs, um Schwarzseher und -hörer zu ermitteln. Sie arbeiten auf Provision, sind jedoch nicht bei der GEZ selbst, sondern den ARD-Sendern unter Vertrag. Zuletzt lieferten sie der GEZ 358.000 „Belege mit An- und Zumeldungen von Rundfunkgeräten“ im Jahr.
AUS KÖLN DANIEL BOUHS
Wer die Lieblingsinstitution der Deutschen besuchen will, der muss zunächst beim Wachschutz des Westdeutschen Rundfunks (WDR) vorstellig werden. Dort, in der Außenstelle Köln-Bocklemünd, wird nicht nur die „Lindenstraße“ gedreht. Dort hat sich auch ein Untermieter eingenistet, der Großkunde der Post ist, weil er ganz Deutschland mit seinen Schreiben bombardiert.
„Kommen hier nicht auch die Irren vorbei?“, fragt der Besuch. „Ja“, sagt der Pförtner, „bei uns wollen die Leute immer wieder mal Ärger machen.“ Wenn er diesen ungebetenen Gäste allerdings ansehe, dass die am liebsten vor Wut platzen wollen, zeige er ihnen „das da“, sagt der Uniformierte und deutet in die Ecke. Dort steht etwas, das einem billigen Kindersarg ähnelt, mit schmalem Schlitz und der Aufschrift „Briefkasten GEZ“. Für viele endet hier der Besuch.
Wer weiterkommt, sieht sie aber doch: die Gebühreneinzugszentrale, vereinfacht gesagt: das gemeinsame Inkassoinstitut für ARD, ZDF und Deutschlandradio. Über das viele schimpfen und über das sich mindestens ebenso viele gern lustig machen. Aus dem einstigen offiziellen Werbespruch „Schon GEZahlt?“ wurde im Frust der Leute schnell ein „Schon abGEZockt?“ – im Netz zu haben in den T-Shirt-Größen S bis XXL.
Auf den Festplatten des Siebzigerjahrebaus schlummern die Adressen von 41,9 Millionen Deutschen, den sogenannten Teilnehmern des Rundfunksystems. Wer erwachsen ist und nicht verarmt, muss zahlen, in der Regel 17,98 Euro im Monat (siehe Kasten). Weil viele das aber gar nicht wollen, läuft hier viel auf: Von morgens sieben Uhr an gut neunzigtausend Briefe – pro Tag. Inzwischen steckt in mehr als jedem fünften Umschlag ein Antrag auf „Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht“. Etwa drei Mal im Jahr aber auch völlig unkommentiert Geld: mehrere hundert Euro, Spenden für ARD und ZDF.
Um all das kümmert sich erst einmal Frank Kleist. Wie alle, die einem in der GEZ über den Weg laufen, ist auch der Leiter der Poststelle ein Perfektionist. „Die Systeme, die wir brauchen, um diese Masse an Post zu bearbeiten, gibt es am Markt nicht“, sagt er und berichtet, dass immer wieder Ingenieure kämen, um mit der GEZ neue „Posteingangssysteme“ zu entwickeln. Für die Hersteller von Postöffnungsmaschinen ist Köln-Bocklemünd ein Schlaraffenland.
Kleist wiederum beschäftigt knapp einhundert Mitarbeiter, die Briefe sichten und sortieren. Das Ziel ist, bis 16 Uhr alles in den Großrechner einzulesen. Die GEZ ist eben auch nur ein riesiges Fließband. Und Kleist arbeitet daran, dass schon bald jeder Brief nur noch ein einziges Mal angefasst werden muss, bis er im Scanner landet. Optimierungswahn, damit von den Gebühren möglichst viel für die Sender übrig bleibt – und so wenig wie möglich für die GEZ draufgeht.
Dieser Perfektionierungswille treibt hier alle an. Doch das Image lässt sich nicht retten. Wie auch? Die GEZ selbst bietet nichts, sie will nur was: das Geld der Rundfunkteilnehmer.
Überzeugungstäter
Da verblüfft es schon, Menschen wie Frank Kleist zu erleben, die in ihrem Job aufgehen. Oder auch Axel Fell, den „Abteilungsleiter Teilnehmerbetreuung und Qualitätssicherung“. Wie das wohl ist, wenn sie abends irgendwo in einer Kneipe Drinks schlürfen und gefragt werden, wo sie denn tagsüber so arbeiten?
Das sei „Überzeugungsarbeit – auch im Privaten“, sagt Fell. Wie seine Kollegen muss auch er pausenlos erzählen, wie wichtig ein starker öffentlich-rechtlicher Rundfunk für die Gesellschaft ist und wie schlimm Schwarzseher sind. „Aber es ist ja nicht so, als gäbe es nicht auch Leute, die gern für ARD und ZDF bezahlen.“
Allen anderen glauben sie erst einmal nicht. „Unsere Erfahrung zeigt, dass kaum jemand wirklich aufs Fernsehen verzichtet, wenn er schon mal einen Fernseher hatte“, sagt Fell. Auf die, die ein Gerät abmelden wollen, wartet deshalb großer Widerstand.
Den Gebühren-Manager, der etwa neunzig Prozent aller Anrufe und damit auch die meisten Beschimpfungen von einem externen Call-Center abfangen lässt, reizt ohnehin etwas anders: die Dimension des Ganzen. „Wer verwaltet in Deutschland schon rund sieben Milliarden Euro?“, fragt Fell. Spannend an der Arbeit bei der GEZ sei, das alles „reibungs- und störungsfrei hinzubekommen“. Trotzdem schaffen sie es nicht, gänzlich aus den Schlagzeilen zu kommen. „Was für ein Irrsinn!“, schrieb erst vergangene Woche beispielsweise wieder Bild. Die Gebühreneinzugszentrale wolle doch tatsächlich „Geld von einem Münchner Hund eintreiben, der seit fünf Jahren tot ist“.
Daran aber, das trichtern sie einem auf den Fluren der GEZ schnell ein, seien meist nicht sie schuld, sondern andere. In diesem Fall vermuten sie, dass die einstige Halterin des abgemahnten Hundes ein Abo für ein Tiermagazin abgeschlossen und aus Liebe zu ihrem Bello flugs dessen Namen mit notiert hatte, der so Adresshändlern in die Hände fiel. Dem Tier dürften so auch Werbung für Kreditkarten und Fangbriefe („Sie haben gewonnen!“) ins Haus geflattert sein.
Ein Problem ist nämlich, dass die GEZ sich nicht allein auf die Zu- und Umzugsangaben der Einwohnermeldeämter verlässt, die ihr regelmäßig zugehen. Sie bedient sich auch bei Unternehmen wie der Schober-Gruppe und Ablegern des Bertelsmann-Konzerns, die Adressen verhökern. Gut 100 Millionen Einträge sind das im Jahr, die für bis zu sechs Monate in die Server der Gebühreneintreiber wandern – um dann anständig wieder gelöscht zu werden, wie sie nachdrücklich beteuern.
PR-Desaster
Der PR-GAU aber ist, wenn sogar tote Menschen Post von der GEZ erhalten. Und auch das kommt immer wieder vor, etwa Anfang dieses Jahres. Da war die Frage, ob ein Fernseher vorgehalten werde, an einen Saarbrücker adressiert, der schon 19 Jahre zuvor aus dem Leben geschieden war. Bei der GEZ sagen sie, da habe die Adresslieferung „nicht den vertraglichen Vereinbarungen“ entsprochen. Ob sie nicht besser von vornherein auf solche Geschäfte verzichten sollte?
Der Mann, der dazu Stellung nehmen müsste, ist Geschäftsführer Hans Buchholz. Der bietet Besuchern dieser Tage zwar einen Kaffee an, will sich mit seinen Äußerungen aber nicht in der Zeitung wiederfinden. Das ist durchaus verständlich, denn derzeit sitzt die Politik an dem Entwurf für den nächsten Rundfunkstaatsvertrag. Der wird die bisherige Gebühr pro Gerät auf Beiträge pro Haushalt und Arbeitsstätte umstellen. Von 2013 an muss dann auch der zahlen, der kein TV schaut.
Feinheiten des in wenigen Wochen erwarteten ersten Gesetzentwurfes werden darüber entscheiden, wie viel die GEZ dann überhaupt noch zu tun haben wird. Voreilige Äußerungen wären hier fatal. Klar ist bereits, dass die „Gebührenbeauftragten“, die vielfach als Drückerkolonnen beschimpft werden, dann nicht mehr in die Wohnungen der Deutschen blicken müssen. Sie werden allein noch feststellen, wer mit wem zusammen lebt, bestenfalls also Klingelbretter abschreiben.
Für die GEZ heißt das erst einmal, dass sich endlich mal überhaupt etwas tut. Ihr Fließband wird ausgetauscht, neue Formulare müssen her, neue Abläufe, neue Datenbestände. Fell sagt, der Zeitplan der Reform sei „sportlich, aber machbar“. Dennoch ist klar, dass die GEZ nach dem Umstieg auf die Haushaltsabgabe schrumpfen wird. Wenn alles klappt, soll in Köln zumindest niemand gekündigt werden: Die Fluktuation unter den GEZ-Mitarbeitern ist ziemlich hoch. Überraschend ist das nicht.
Hans Buchholz wird zum Systemwechsel allerdings schon gar nicht mehr Chef der GEZ sein, er geht vorher in den Ruhestand. Zuletzt hat er massiv am Image seiner Einrichtung gearbeitet. Die Werbespots und gut 400 Standardbriefe setzen seitdem mehr und mehr auf Fairness und, im GEZ-Sprech, „Gebührengerechtigkeit“. Aus dem drohenden „Schon GEZahlt?“ wurde ein „Natürlich zahl‘ ich!“.
Das alles sind natürlich nur Kleinigkeiten. Die Umstellung könnte indes auch hier helfen, denn 2013 wandelt sich die Gebühr formell zu einem Beitrag. Damit braucht die „Gebühreneinzugszentrale“ einen neuen Namen. Ihre Kritiker werden dann neue Sprüche kreieren dürfen. Und die GEZ ein neues Briefkastenschild brauchen.