portrait : Botschafter auf vertrautem Terrain
Ob der UN-Sicherheitsrat nun um eine Resolution zum Libanon oder zum Iran in Sachen Atomstreit ringt: Derzeit meldet sich Witali Tschurkin fast täglich zu Wort. Russland werde die von den USA und Frankreich vorgeschlagene Resolution zur Lösung des Libanonkonfliktes ablehnen, sagte Moskaus Botschafter bei der UNO gestern im russischen Fernsehsender Westi. „Ein solcher Entwurf, der ungünstig für die russische Seite ausfällt, kann nicht angenommen werden, da er nur zu einer Fortsetzung des Konfliktes und der Gewalt führen würde.“
Wenige Tage zuvor hatte sich der gebürtige Moskauer anlässlich des Todes von vier UNO-Mitarbeitern durch israelisches Bombardement kritisch zu den USA geäußert. Washington schwäche mit seiner einseitigen Unterstützung Israels die Position der Vereinten Nationen in der Nahostkrise, sagte Tschurkin der russischen Tageszeitung Iswestija.
Seinen derzeitigen Posten hat Tschurkin seit April inne. Da berief Russlands Präsident Wladimir Putin mitten in den Verhandlungen über Sanktionen gegen Iran den bisherigen Amtsinhaber Andrej Deniss überraschend ab.
Für den 54-jährigen Tschurkin ist der diplomatische Dienst ein mehr als wohlvertrautes Terrain. Im Jahr 1974, direkt nach dem Abschluss am Moskauer Institut für Internationale Beziehungen, begann Tschurkin seine Laufbahn im damals noch sowjetischen Außenministerium: Zunächst als Direktor der Informationsabteilung, dann als Sprecher sowie von 1992 bis 1994 als stellvertretender Außenminister. In dieser Eigenschaft war der mittlerweile promovierte Geschichtswissenschaftler als Gesandter in Exjugoslawien auch an den Verhandlungen zwischen den Kriegsparteien beteiligt. In der Folgezeit war Tschurkin, der fließend Englisch und Französisch spricht, Botschafter in Belgien, beim Kooperationsrat zwischen Russland und der Nato sowie von 1998 bis 2003 in Kanada. Im Januar 2001 kam Tschurkin in eine etwas delikate Lage, als ein russischer Diplomat auf dem Rückweg in Ottowa einen tödlichen Unfall verursachte. Obwohl von der kanadischen Seite darum ersucht, weigerte sich das russische Außenministerium, die Immunität des Betreffenden aufzuheben und so ein Verfahren in Kanada zu ermöglichen. Im Jahr 2003 wurde Tschurkin Botschafter für besondere Aufgaben und war Vorsitzender des Komitees höherer Beamter des Arktisrates.
Auch gestern verhandelten Diplomaten fast ununterbrochen über eine Libanonresolution, doch eine Einigung war nicht in Sicht. So wird man Tschurkins Stimme wohl bald wieder vernehmen.
BARBARA OERTEL