: Ohne Stars, ohne Sturm – aber mit glücklichen Fans
Die Bundesliga vor dem Start (9): Karnevalsverein Mainz 05 und Trainer Klopp hoffen in der dritten Erstligasaison wieder auf den Klassenerhalt
Was bleibt von der WM? Der Einzige, der aktiv an der WM teilgenommen hat, ist Trainer Jürgen Klopp als Komoderator im Fernsehen. Kapitän Manuel Friedrich und Stürmer Michael Thurk durften vor der Weltmeisterschaft kurze Zeit hoffen, einen Anruf vom Bundestrainer zu erhalten. Den gab’s aber nicht, und so bleibt von der WM nur die Freude auf die Nächste und der feste Glaube daran, 2010 jemanden aus den eigenen Reihen mit nach Südafrika zu schicken.
Wer sind die Stars? Stars gibt es in Mainz keine. Jürgen Klopp ist der Mainzer Liebling und Medienstar, in der Mannschaft aber gibt es keinen Sonderstatus. Auf dem Platz dirigiert Kapitän Manuel Friedrich von hinten heraus das Spiel. Ein Star ist er aber genauso wenig wie Heimkehrer Mimoun Azaouagh oder der neue Mittelfeldmotor Markus Feulner. Die beiden zeigten im beim 5:0-Sieg im Freundschaftsspiel gegen den FC Liverpool Ansätze von Führungsqualität. Grundsätzlich geht in Mainz aber nichts über die mannschaftliche Geschlossenheit.
Was macht der Trainer? „Kloppo“ ist nicht aus Mainz wegzudenken. Durch seine Fernsehpräsenz während der WM mag schon so manch einer darüber nachgedacht haben, ob er nicht der neue Bundestrainer werden solle. Aber er hat seinen Vertrag in Mainz schon letzte Saison bis 2008 verlängert und versprochen, nicht vertragsbrüchig zu werden. Wie immer zeigt er sich zuversichtlich, dass die Saison ein Erfolg wird. Er vertraut seiner Fähigkeit, immer das Optimum aus seiner Mannschaft herauszukitzeln. Und das schafft er, weil er ein Teil von ihr ist – und keiner, der wie ein Bestimmer dem Team vorsteht.
Wie sieht die Taktik aus? Klassisches 4-4-2 (oder 4-1-3-2). Variables Pressing kurz vor der Mittellinie, schnelle Balleroberungen im Mittelfeld, geschicktes Umschalten von Abwehr auf Angriff. Das sind die Grundaussagen der Klopp’schen Philosophie. Letzte Saison überzeugte der FSV durch unbedingten Willen und Kampfgeist. Das wird auch dieses Jahr wieder so sein.
In der Abwehr hat sich kaum etwas verändert, die Viererkette ist eingespielt. Der unumstrittene Manuel Friedrich gibt die Kommandos und bildet mit Nikolce Noveski die Innenverteidigung. Auf rechts scheint sich Demirtas vor Neuzugang Du-Ri Cha zu behaupten. Links streiten sich Marco Rose und Benjamin Weigelt. Mit Milorad Pekovic setzt Klopp in dieser Saison auf einen zusätzlichen Aufräumer vor der Abwehr.
Was den offensiven und kreativen Teil der Mannschaft angeht, ist praktisch alles neu. Es gibt keinen da Silva mehr, keinen Zidan, keinen Auer und auch keinen Thurk, der nach unschönem Gequengel zu Eintracht Frankfurt wechselt. Im Mittelfeld ist ein neues Gefüge entstanden: Die Dreierkette wird von Azaouagh auf der zentralen Position gesteuert, der Ex-Kölner Feulner ist links wie rechts einsetzbar. Fabian Gerber, Otto Addo, Amri und Damir Vrancic kämpfen um den letzten freien Platz.
Das große Problem ist der Sturm. Conor Casey und Petr Ruman sind verletzt und konnten die Vorbereitung nicht mitmachen. Gegen Liverpool lief der Not-Sturm Tobias Damm und Bakary Diakité auf. Beide sind unerfahren und noch nicht ins Mannschaftsgefüge eingebunden. Die Hoffnungen ruhen jetzt auf zwei Neueinkäufen: Dienstag unterschrieb Imre Szabic vom Absteiger 1.FC Köln einen Zweijahresvertrag in Mainz. In Köln spielte der Ungar seine bisher wohl schlechteste Profi-Saison, kam nur auf 11 Einsätze und ein Törchen. Der zweite Stürmer könnte Goncalves Eduardo, kurz: Edu, vom VfL Bochum werden. Damit würde das Angriffsspiel der Mainzer wieder an Variabilität gewinnen. Ob es bundesligatauglich wird, muss sich zeigen.
Sind die Fans glücklich? Immer. Die Stimmung im engen Bruchweg-Stadion ist für jeden Gegner eine Herausforderung. Mannschaften wie Schalke 04 und Werder Bremen sind hier schon mit gesenkten Köpfen vom Platz geschlichen. Die Mainzer lassen sich ihre karnevaleske Fröhlichkeit nur ganz selten verderben. Die Partylaune von den Rängen treibt das Team immer wieder zu Höchstleistungen an, das dann auch gebührend gefeiert wird.
Die Prognose: Die Zielsetzung muss auch dieses Jahr wieder Klassenerhalt heißen. Die neuen Stürmer werden das Traum-Duo Thurk-Zidan nicht ersetzen können. Aber: In Mainz ist alles möglich. Sollten die Mittelfeldhoffnungen Azaouagh und Feulner, von denen viel abhängen wird, eine starke Saison hinlegen und Toni da Silva vergessen machen, ist eine ähnliche Platzierung wie 2006 drin.
Der X-Faktor: Die Mainzer wünschen sich ein größeres Stadion. Manager Christian Heidel und Präsident Harald Strutz basteln schon seit Längerem an den Plänen zur Erweiterung des Bruchweg-Stadions. Die Finanzierung ist allerdings noch nicht vollständig geklärt. Strutz ist aber sicher: „Die zeitnahe Umsetzung des Stadionprojekts würde unsere Konkurrenzfähigkeit steigern.“ BASTIAN HENRICHS