: Hallo, Echo!
Mit der „Sport BZ“ testet Springer in Berlin, Brandenburg und Teilen Mecklenburg-Vorpommerns eine beinahe tägliche Sportzeitung. Experten beurteilen den Feldversuch aber eher skeptisch
Von DOMINIK SCHOTTNER
Auch wenn es sich nie so anfühlte: Jahrelang klaffte in Deutschland eine tiefe sportpublizistische Lücke. Seit dem Untergang des Sportechos der ehemaligen DDR 1991 gab es in Deutschland kein tägliches Blatt für die Leibesübungen mehr. Zwar suggerierten die Sportteile der Tageszeitungen, ungezählte Special-Interest-Magazine von Kicker über Mountain Bike bis zur AngelWoche und die übermächtigen Fernsehsender den Sportfans, gründlich versorgt zu werden mit dem Neuesten. Doch dann kam die Fußball-WM.
Plötzlich wirkte alles, was vorher Sportberichterstattung genannt wurde, seltsam antiquiert. Insbesondere der Printbereich schien sich an europäischen Sportzeitungen wie L’Equipe (Frankreich), Gazzetta dello Sport (Italien) oder Marca (Spanien) ein Beispiel zu nehmen. Auf einmal war alles möglich, und das sogar sieben Tage die Woche: teilweise unnötig aufgeblasene WM-Beilagen mit bis zu 32 Seiten täglich, Korrespondentennetze, so dicht wie ein Teesieb, Redaktionsschluss bis weit nach Mitternacht. Das widersprach in vielen Fällen zwar betriebswirtschaftlicher Vernunft, schaffte aber, wovon sich ChefredakteurInnen und Vertriebschefs nach wie vor Wunderdinge erhoffen: eine enge Leser-Blatt-Bindung.
Auf die baut nun auch der Axel Springer Verlag: Am vergangenen Montag hat er in Berlin, Brandenburg und dem Süden Mecklenburg-Vorpommerns zum ersten Mal die Sport BZ herausgegeben, einen von Montag bis Freitag täglich erscheinenden Ableger des gleichnamigen Berliner Boulevardblatts. Stückpreis: 50 Cent, Aufmachung: bunt, Themen: Fußball, Basketball, Eishockey; „was die Leser halt interessiert“, sagt Redaktionsleiter Michael Gronau.
Der Springer Verlag setzt mit der Sport BZ nicht zum ersten Mal einen Testballon in der Disziplin Sporttageszeitung aus. Denn er hatte seinerzeit das Sportecho aus der DDR-Konkursmasse übernommen, musste das Blatt (Auflage 1989: 185.000 Exemplare) aber schon 1991 wegen dramatischen Leserschwunds einstellen. Auch als man die Sport Bild entwickelte, wurde eine tägliche Ausgabe erwogen. Wegen der Konkurrenz zur sportaffinen Bild einigte man sich jedoch auf die wöchentliche Erscheinungsweise.
Das soll der Sport BZ nicht passieren. Bereits während der Fußballweltmeisterschaft war sie siebenmal die Woche erschienen. „Zwischen 11.000 und 17.000 Exemplaren haben wir an den Kiosken verkauft“, sagt BZ-Chefredakteur Walter Mayer. Außerdem habe man „fantastische Reaktionen unserer Leser“ bekommen und dreimal die Planungen anpassen müssen: „Das macht Mut“, so Mayer.
Mut, den die aktuell rund 30 RedakteurInnen in der zeitlich offenen Testphase gut gebrauchen können. Schließlich gilt es, die sportjournalistische Grundversorgung, die weiterhin auf vier bis fünf Seiten in der BZ stattfindet, mit exklusiven Geschichten und einem attraktiven Layout mehr als nur zu ergänzen. Interne Reibung ist also garantiert, zumal die gemeinsame Leitung der beiden Redaktionen jeden Tag aufs Neue entscheiden muss, welche Geschichte in welcher Ausgabe erscheint. Die ersten Ausgaben setzen klar auf lokale Kost, auf den FC Union Berlin und vor allem auf die Hertha. Angst vor leeren Seiten hat man bei der BZ aber nicht: „Früher hat uns der Platz gefehlt“, sagt Redaktionsleiter Gronau. Auch den Wettbewerb mit der großen Verlagsschwester Bild nimmt die BZ sportlich: „Wir betrachten den Sportteil der Bild mit großem Respekt“, sagt BZ-Chef Mayer, aber das Blatt sei „ein Konkurrent wie jede andere Zeitung auch“.
Wen sich die Sport BZ als Zielgruppe wünscht, das lässt sich an den Auto-, Kredit- und Partnerschaftsanzeigen in den ersten Ausgaben gut ablesen: Männer, „relativ gut gebildet und verdienend“, das also, was man im Englischen „lads“ nenne, erklärt Chefredakteur Mayer. Eine Zielvorgabe des Verlags gibt es aber nicht. Wann das Produkt erfolgreich ist und ob man eventuell über den bisherigen Verbreitungsraum hinausgehen möchte, lässt man bei Springer bewusst offen.
Dass sich nicht nur „lads“ mehr Sport in der Zeitung wünschen, wie die BZ herausgefunden haben will, sei ein normales Ergebnis bei Leserumfragen, sagt Josef Hackforth, Professor für Sport, Medien und Kommunikation an der TU München. Bei weniger als 30 Minuten, die der durchschnittliche Leser der Zeitungslektüre täglich widmet, ist es aber nahezu unwahrscheinlich, dass das größere Angebot genutzt wird. Hackforth gibt nicht nur deswegen Projekten wie der Sport BZ wenig Chancen: „Ich bin da konstruktiv skeptisch. Die elektronischen Medien, insbesondere das Fernsehen, spielen im Sport die größte Rolle. Außerdem liegt der Anteil von Sport in Tageszeitungen ohnehin schon zwischen 20 und 40 Prozent.“ Deswegen müsse man sich, so Hackforth, fragen, was eine täglich erscheinende Sportzeitung an Exklusivität überhaupt bieten könne. Allgemein sei die Möglichkeit erfolgreicher Neugründungen im Sportjournalismus aber auf den Bereich des „Very Special Interest“ beschränkt, selbst wenn man dort nur eine vergleichsweise geringe Auflage habe, so Hackforth. Dass sich aber jemand findet, der bislang unterbeleuchtete Themen wie Sportpolitik, Sport und Gesundheit oder gar Schulsport journalistisch behandelt, ist unwahrscheinlich. Hackforth: „Das interessiert die Leser nicht besonders.“