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Archiv-Artikel

Mach dir Gedanken

LÜMMEL Altklug in Hamburg: Bei seiner Gründung ging das Trio 1000 Robota noch in die Schule. „Ufo“ ist ihr Album Nummer zwei. Aufmerksamkeit erzeugen sie auch mit ihren dicken Sprüchen und der Kollegenschelte

„… und ihr bleibt einfach stehen / ihr seid eine Jugend und kein Phänomen / Hamburg brennt, ja ja bla bla, ihr wollt es gar nicht“

1000 Robota

VON ALEXANDRA EUL

Mit ihrer Debut-EP „Hamburg brennt“ stolperten 1000 Robota vor zwei Jahren aus dem Nichts auf die Bildfläche und sorgten mit nöligem Rufgesang, kreischenden Punkgitarren, polternden Schlagzeugrhythmen, rollendem Bass und einer pubertätsgetränkten Gegen-Alles-Haltung für ein Aha-Erlebnis.

Anton Spielmann, Jonas Hinnerkort und Sebastian Muxfeldt – drei hanseatische Teeanger, die es endlich schaffen, den Trotz, die Wut und die Widersprüchlichkeit ihrer Generation in krachenden, maximal zwei Minuten langen Gitarrensongs zu kanalisieren, da warteten alle drauf. Allzumal sich die Genialität in der Einfachheit, Unmittelbarkeit und dahingerotzten Phrasenhaftigkeit der 1000-Robota-Songs verbirgt. Die drei Musiker stellen genau das dar, woran es der heimischen Musiklandschaft gebricht: Jung, unverschämt, roh, laut, authentisch sind sie. Und zur Schule gingen sie auch noch.

Es brauchte wie so oft erst einen Impuls aus Großbritannien, bis die Verzückung über diese junge Band, von der britischen Boulevard-Zeitung The Sun als „Gang of Four im Panzer“ betitelt, endgültig überschwappte. Bevor 1000 Robota eines ihrer Konzerte in einem Londoner Hipster-Schuppen spielten, jubelte eine Autorin im NME: „Ich werde in der ersten Reihe stehen und bei ‚Es geht nun mal um etwas‘, mitsingen, ohne einen blassen Schimmer zu haben, was das eigentlich bedeutet.“ Boulevard-Dauergast Peaches und die Neorave-Band Klaxons verstanden auch nichts, stolperten aber ebenso im Publikum rum.

Inzwischen sind 1000 Robota beim Hamburger Label Buback unter Vertrag, in den Büroräumen des Labels gibt die Band ein Interview. Das sind sie also: Sänger und Gitarrist Spielmann, mittlerweile 20 Jahre alt, ein blasser, schlaksiger Typ im schwarzen Anzug samt Hemd und Weste, die ungewaschenen Haare unter einem Hut versteckt; und sein Schlagzeuger und Altersgenosse Hinnerkort – ganz bürgerlich in Jeans und T-Shirt. Sie sitzen an einem weißen Konferenztisch und blicken eher skeptisch als entspannt drein, Bassist Muxfeldt fehlt. Der hat verschlafen.

Mit Verve den Außenseiter mimen

Aber erst mal zum Wesentlichen: 1000 Robota haben ein neues Album aufgenommen. „Ufo“. Zwei Jahre nach der Veröffentlichung ihres Debüts bei Tapete Records wollen sie nun zeigen, dass sie mehr können als Parolen schreien, Musikerkollegen anpöbeln und die „jungen Rotzlöffel“ markieren, wie Hinnerkort sagt. Am Tisch bei Buback ist schnell klar: Das funktioniert überhaupt nicht.

1000 Robota regen nach wie vor auf. Spielmann gefällt sich selbst in seiner Rolle als Enfant terrible der Hamburger Musikszene. „Es gibt einfach keinen Respekt vor jungen Leuten in Deutschland“, sagt er. „Es geht immer nach dem Modell: Hör mal, ich leb jetzt seit 50 Jahren, ich erzähl dir jetzt mal was. Aber jetzt erzählen wir mal was“, poltert er. Spielmann erzählt viel, wenn der Tag lang ist, und seine Gedanken sind so sprunghaft wie seine Songtexte.

Mit viel Verve mimt er den Außenseiter, was bei dem ganzen Ekel, den dieser junge Mann versprüht – über „ausgebrannte“ Altersgenossen, den Kommerz der Musikbranche und den mit Facebook kompatiblen Alltag in gentrifizierten Stadtvierteln – sogar funktionieren könnte. Wenn man dabei nur nicht das Gefühl bekäme, er hätte seine Klamotten aus dem Schrank von Pete Doherty geklaut.

„Hier passiert doch gar nichts!“, beschwert sich Spielmann über die Hamburger Musikszene. Aber ist die nicht vielfältig? „Vielfalt heißt ja nicht, dass alles gut ist.“ Ein ordentlich inszenierter Skandal hat noch keiner Band geschadet, und so machten auch die jugendlichen 1000 Robota vor zwei Jahren ihre Antagonisten aus. Die Diskurs-Pop-Vertreter der einstigen Hamburger Schule und auch Polit-Party-Labels wie Audiolith. Bis vor Kurzem waren Spielmanns Hasstiraden auf „Trost suchende Gewohnheitstypen“, als die er Kettcar, Tomte und Co bezeichnete, auf dem Blog der Band nachzulesen, samt anarchischer Auslegung von Orthografie und Grammatik. Die Einträge sind heute gelöscht und am Konferenztisch ihres Labels Buback klingen 1000 Robota zumindest für einige Minuten sogar konziliant, als Hinnerkort sagt: „Wir wollen eher anregen als abrechnen. Wenn wir rumpöbeln, machen die Leute gleich dicht.“

1000 Robota, drei junge Männer aus dem Hamburger Umland, sind ein Stück weit erwachsener geworden und ihre Feindbilder abstrakter: Zufriedenheit, Bequemlichkeit, Wohlstand. „Ich kann das Geld eurer Eltern bis hierher auf die Bühne riechen“, soll Thees Uhlmann während eines Zanks über 1000 Robota gesagt haben. Wie kommt er denn darauf? Keine Ahnung, sagen Hinnerkort und Spielmann. „Wir haben es sehr schnell geschafft, unser eigenes, unabhängiges Leben aufzubauen“, fügt Spielmann hinzu.

Hinnerkort und Muxfeldt haben mittlerweile das Abi in der Tasche. Ein akademischer Lebenslauf komme für ihn nicht infrage, sagt Hinnerkort. „Du machst Abi, dann studierst du und kommst dabei nie an den Punkt, dir ernsthaft Gedanken über dein Leben zu machen.“ Und darum geht es schließlich bei 1000 Robota: Denk nach, mach was du willst und bleib vor allem niemals stehen.

Nachhilfe von den Goldenen Zitronen

Mit „Ufo“ versucht die Band, diesem Anspruch auch musikalisch gerecht zu werden. Sie entwickeln den Sound vom Debütalbum „Du nicht er nicht sie nicht“ weiter, dafür haben sie sich von Ted Gaier, Regisseur, Produzent und Bandmitglied der Goldenen Zitronen ein bisschen Nachhilfe geben lassen. Die peitschenden Gitarren, der rollende Bass und das mehrstimmige Geschrei sind in Liedern wie „Du gewinnst“ oder „Wir reißen uns zusammen“ nach wie vor zu hören. Sie werden aber bisweilen in ruhigeren Songs wie „Geh nicht zu weit“ von monotonem, fast gesprochenem Gesang, einem zurückgenommenen Schlagzeug und erst ganz zuletzt ausbrechenden, disharmonisch-sphärischen Gitarrenläufen abgelöst.

Auch „Fahr weg“, die erste Single-Auskopplung, proklamiert mit eher unerwartet hübschem Soundgeplätscher, monotonen Stimmen und Stakkato-Gitarren auf einem Ton die Alltagsflucht: „Sie spüren nichts / nicht mal dass du einsam bist / fahr weg“. Inhaltlich liefert „Ufo“ paradoxe Zeilen voller Befindlichkeiten und Auflehnungspoesie. „Ich kann nichts mehr sehn / nur noch mich selbst / richtig ist das, was einem recht ist / und ihr oh ja ihr, ihr bleibt einfach stehen / ihr seid eine Jugend und kein Phänomen / Hamburg brennt, ja ja bla bla, ihr wollt es gar nicht / ihr wollt nur euch und euer Glück“ singen 1000 Robota in „Glück“. Wer mit den ganzen Ichs, Sies, Dus oder Wirs gemeint ist, lassen sie im Unklaren.

Zwar sind 1000 Robota dem erklärten Anspruch, keinen Abklatsch ihres Debüts aufzunehmen, gerecht geworden, doch haben sie dadurch auch den Charme des Unmittelbaren und Wilden verloren. Das Album reißt weniger mit als das Debüt, und die disharmonischen Klangkonstruktionen zu verkopften Textergüssen fangen nach längerem Zuhören an zu nerven.

Und so ist „Ufo“ weniger geeignet fürs Durchhören, aber fürs Zuhören. Eben keine Palette Dosenbier zum Reinschütten, eher eine Flasche Whisky, um gelegentlich dran zu nippen. Und wenn Spielmann sagt: „Wir generieren das, was die Zukunft hört“, bleibt eigentlich nur der Gedanke: Hoffentlich.

■ 1000 Robota „Ufo“ (Buback/Rough Trade)