: „Das Preisgeld stecke ich in mich“
LEINWAND Heute wird in Berlin zum elften Mal der wichtigste deutsche Nachwuchsfilmpreis verliehen. Fünf Preisträger aus zehn Jahren First Steps über ihr Leben zwischen Auftragsarbeiten und Selbstverwirklichung
■ Lukas Schmid, 33, Absolvent der Filmakademie Ludwigsburg, gewann 2003 mit seinem Dokumentarfilm „Intimitaeten“ und wohnt in Berlin.
■ Florian Schwarz, 36, Absolvent der Filmakademie Ludwigsburg, gewann 2004 mit seinem Spielfilm „Katze im Sack“ und wohnt in Berlin.
■ Michael Dreher, 36, Absolvent der HFF München, gewann 2006 mit seinem Kurzfilm „Fair Trade“ und wohnt in Berlin, München, Stuttgart und Tanger (Marokko).
■ Sonja Heiss, 33, Absolventin der Hochschule für Fernsehen und Film in München, gewann 2007 mit ihrem Spielfilm „Hotel Very Welcome“ und wohnt in Berlin.
■ Niko Apel, 31, Absolvent der Filmakademie Ludwigsburg, gewann 2008 mit dem Dokumentarfilm „Sonbol“ und lebt in Frankfurt am Main.
AUFGEZEICHNET VON DAVID DENK
taz: Was ist seit der Auszeichnung passiert?
Florian Schwarz: Ich habe mich danach wild in diverse Projekte gestürzt. Mein Stammautor Michael Proehl und ich bekamen nach „Katze im Sack“ vom Hessischen Rundfunk gleich die Chance, einen Geisterfilm zu machen. Außerdem haben wir noch zwei „Tatorte“ gedreht, wieder für den HR. Und ich habe mich auch noch im Serienbereich ausprobiert, drei Folgen „R.I.S. – Die Sprache der Toten“ für Sat.1 inszeniert. Ich hatte nie diesen hehren Kunstfilmerethos, sondern wollte immer nur machen, was ich selbst gern gucke. Meine Filmografie soll so vielseitig wie möglich sein. Bei „R.I.S.“ konnte ich mal Actionszenen inszenieren oder solche mit sechs, sieben Leuten in einem Raum und musste jeden Tag sechs Sendeminuten abliefern. Das war eine große handwerkliche Herausforderung, meine eigentliche Filmhochschule.
Sonja Heiss: Ich habe ein Kind bekommen, meine Tochter June, das ist natürlich kontraproduktiv, wenn man gerade den First Steps gewonnen hat, aber wundervoll. Gerade schreibe ich an meinem nächsten Film, drehe manchmal Werbung und schreibe an einem Erzählband, zehn Geschichten über die Schwierigkeiten des Lebens und der Liebe, absurde Träume und das schlechte Gewissen. Mir wurden nach First Steps einige Filme angeboten, die ich aber abgelehnt habe. Wenn man es gewohnt ist, selbst zu schreiben, hat man wohl eine extrem klare Vision davon, wie etwas sein soll. Und ich denke immer: Jetzt muss ich erst mal noch einen Film machen, wie ich ihn immer machen wollte. Jeder Film bedeutet ja ein paar Jahre Lebenszeit; „Hotel Very Welcome“ hat vier gedauert.
Was verdanken Sie First Steps?
Michael Dreher: Einen sehr lustigen Abend. Und eine Aufmerksamkeit für meinen Film, den bis dahin nur die Jury gesehen haben konnte, da er noch auf keinem Festival gelaufen war. Aber trotzdem kamen immer wieder Leute an, die den Film super fanden – das war sehr unterhaltsam. Neben diesem kleinen Hype verdanke ich First Steps viele Kontakte. Es ist der größte Nachwuchspreis, deswegen kommen die meisten Redakteure und Produzenten und ich hatte die Möglichkeit, diese wichtigen Leute kennenzulernen und mich mit ihnen auszutauschen.
Niko Apel: Der Gewinn von First Steps war für „Sonbol“ der erste große Knall mit einem größeren Medienecho, der eine Reihe von Festivaleinladungen, Besprechungen und Preisen nach sich gezogen hat, bis hin zum Grimme-Preis. Aber nach der Weltpremiere und der lobenden Erwähnung beim Max-Ophüls-Preis war erst mal ein halbes Jahr gar nicht so viel los. Dann habe ich das Studentenfilmfestival „Sehsüchte“ in Potsdam gewonnen – das war ganz toll, auch weil mein Konto gerade leer war. Im Jahr darauf war ich den Herbst über jede Woche auf einem anderen Festival – eine tolle Erfahrung und Bestätigung. Das andere ist einfach die Kohle. Der Preis gibt dir die Möglichkeit, über das nächste halbe Jahr zu kommen, ohne eine Auftragsarbeit annehmen zu müssen. Die Leute fragen ja immer: „Und, was machste jetzt mit dem Preisgeld? Steckste in deinen nächsten Film, oder?“ Nee, das stecke ich erst mal in mich, damit ich den Kopf frei habe zum Nachdenken.
Wer ist der größte Feind eines jungen Filmemachers?
Lukas Schmid: Die Finanzierung. Das ist ein unglaublich langwieriger, anstrengender Kampf, der so manchen meiner Kollegen schon verschlungen hat. Viele mussten einen Zweitjob annehmen, der sie nun davon abhält, weiter Filme zu machen. Es gibt Fernehformate, die keiner sehen will, die aber pro Sendeminute doppelt so viel kosten wie diese Kollegen mit Zeitjob bräuchten, um endlich mal wieder einen Film zu machen. Dafür hat man es als Dokumentarfilmer immer wieder mit Kollegen zu tun, die zum Beispiel Ärzte sind und einen Film über alternative Heilmethoden machen. Auch das trägt zu einer Youtubisierung bei, die mich sehr ärgert. Auf der letzten Berlinale habe ich viele schnell aus der Hüfte geschossene Dokumentarfilme gesehen, die sich nur über den Inhalt erzählen und nicht über Bilder, über Licht, über Stimmung. Es gibt viel zu viel gefilmtes Radio. Wer Filme macht, sollte die Liebe zum Bild pflegen.
Florian Schwarz: Mir ist keiner begegnet. Dem branchenüblichen Redakteursbashing zum Beispiel verweigere ich mich. Wer schlechte Erfahrungen gemacht hat, sollte sich jemanden suchen, mit dem er besser kann. Ich habe nur tollste Leute getroffen, bei allen Sendern. Aber natürlich würde ich im Fernsehen wie im Kino immer gern noch mehr von den Filmen sehen, die ich selbst gern machen würde.
Warum machen Sie Filme?
Michael Dreher: Früher habe ich immer erzählt, dass ich gern Rockstar geworden wäre, dafür aber zu groß bin und auch nicht schön genug. Ich bin kein typischer Cineast, der mit zwölf Buñuel guckt und Tarkowskis Kunstauffassung zitieren kann, sondern ich habe mich aus einem Instinkt heraus dazu hingezogen gefühlt, Filme zu machen. Während des Studiums habe ich alles ausprobiert, auch Musikvideos und Werbung, was viele Kollegen niemals gemacht hätten. Dass ich Spielfilme drehen möchte, dass meine Geschichten erzählenswert sind, weiß ich so richtig aber erst seit relativ kurzer Zeit – „Daniel Shore“ war ja mein erster Langfilm, also hätte das auch durchaus noch schief gehen können. Für meine Entwicklung waren die Tanzsequenzen aus dem DJ-Bobo-Video, das ich gemacht habe, genauso wichtig wie „Fair Trade“ oder mein Film über Nikolai Kinski. Ich komme aus einer Beamtenfamilie. Da studierst du halt Jura, Medizin oder Lehramt. Ich musste mich erst von diesem Automatismus emanzipieren, was zwar völlig schmerzfrei geschehen ist, aber seine Zeit gebraucht hat.
Niko Apel: Ein Auslöser, der sich in jeder Biografie gut macht, war mein Job als Filmvorführer in einem Frankfurter Programmkino während der Schulzeit. Das waren hauptsächlich Spielfilme, vom Klassiker bis zu zeitgenössischem Autorenkino. Aber die Liebe zu diesen Filmen allein hat mich noch nicht dazu gebracht, selbst Filme machen zu wollen. Da gehört auch ein gewisses Geltungsbedürfnis dazu. Ich habe einfach das Gefühl, der Welt etwas mitzuteilen zu haben.
Was bedeutet Ihnen der Film, mit dem Sie First Steps gewonnen haben, noch?
■ Gelten als: der renommierteste Preis für Abschlussfilme von deutschen Filmhochschulen, 2000 als private Initiative von Filmbranche und Wirtschaft gegründet
■ Kategorien: Kurzfilm, Spielfilm (bis 60 Minuten, abendfüllend), Dokumentarfilm, Werbefilm und Sonderpreis Kamera
■ Spielfilmjury: Hagen Bogdanski, Ulrike Folkerts, Ludwig Trepte, Klaudia Wick, Bernd Lange
■ Dokfilmjury: Gerd Ruge, Aelrun Goette, Klaus Stern
■ Aufführung: Zwei der nominierten Filme sind am Donnerstag um 21.15 Uhr im Berliner Kino Babylon Mitte zu sehen
■ Mehr Infos: www.firststeps.de
Lukas Schmid: Ich mag den Film immer noch ganz gern, finde, dass ich einiges richtig gemacht habe, aber was mich stört, ist, dass ich mit der Kamera noch nicht visuell genug umgegangen bin. Aber dafür, nicht nur das Gespräch abzufilmen, braucht man Selbstbewusstsein. Und das hatte ich damals noch nicht. So zu arbeiten, ist ja auch wider das System: Niemand glaubt daran, dass ein gutes Bild dabei rauskommt oder ein guter Ton. Und deswegen traut man sich nicht, offene, große Bilder zu suchen.
Sonja Heiss: „Hotel“ ist mein erster Langfilm und ich mag ihn immer noch sehr, sehr gern. Ich habe extrem viel gelernt dabei – auch weil ich über ein Jahr im Schnitt saß: über Humor im Film, über Timing, über Dramaturgie. Wenn ich ihn nicht gemacht hätte, würde es schwierig, jetzt einen zu machen.
Was kommt als nächstes?
Michael Dreher: Der Lorenz um zehn nach zehn … Schreib das ruhig so rein. Ansonsten arbeite ich gerade an einem Treatment, der direkten Vorform eines Drehbuchs. Wegen dieses Projekts bin ich gerade auch in Berlin. Darin geht es um eine Aufklärungsmission nach einem Bombenabwurf in Afghanistan. Dann arbeite ich noch an einem Fernsehfilm, einer Fernsehserie und einem Kinofilm. Obwohl es ökonomisch sinnvoll ist, mehrere Projekte parallel zu verfolgen, fände ich es eigentlich besser, sich auf eines zu konzentrieren. Aber das lässt der Markt nicht zu.
Sonja Heiss: Von Januar bis März habe ich ein Stipendium in Los Angeles, wo ich mein Drehbuch beenden werde. Und nächsten Herbst würde ich sehr gern drehen. Dann hoffe ich darauf, für meine Erzählungen einen Verlag zu finden. Ich hab eine tolle Literaturagentin, deshalb bin ich guter Dinge. Und unsere Wohnung wollte ich mal wieder aufräumen.
Niko Apel: Im Moment sind zwei Projekte in der Finanzierung, eins wieder im Iran und eins in Israel und Palästina. Ich habe auf jeden Fall wieder Lust, außerhalb von Deutschland zu drehen, in andere Welten mit anderen Konflikten zu blicken. Ich fahre aber nicht wahllos in ein exotisches Land, wo ich schon immer mal hinwollte, sondern ich habe immer einen ganz klaren persönlichen Bezug zu meinen Geschichten. Meine erste große Liebe etwa war Perserin, die aber nicht in den Iran reisen konnte, weil ihre Eltern politische Dissidenten waren. Dass mein nächster Film wieder im Iran spielt, ist also mit Sicherheit kein Zufall. Das Schicksal dieses Landes, das um seine Freiheit kämpft, lässt mich einfach nicht los.
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