: Ich hab dein Knie gesehen
Murdochs „News of the World“ hört bei den Mobiltelefon-Nachrichten der Windsors und anderer Promis mit
Es gibt Berichterstatter von den Höfen gekrönter Häupter Europas – insbesondere von denen ihrer Britannischen Majestät – wie Rolf Seelmann-Eggebert: Seriös, respektvoll, geradezu nobel nähert sich der Royal Correspondent der ARD den Windsors. Dafür ist er mittlerweile zum CBE, zum Commander of the British Empire, ernannt worden.
Für andere wird es dagegen wohl nichts mehr mit Aufnahme in den britischen Ritterorden (Kampfruf: „For God and the Empire“). Clive Goodman, Royal Correspondent von Murdochs Sonntags-Krawallschleuder News of the World, hat nicht nur alle Chancen auf derlei Fast-Adel verspielt, sondern saß Anfang der Woche sogar zeitweise in Haft – weil er sich in in die Mobiltelefon-Botschaften der Königsfamilie gehackt haben soll. Kommenden Mittwoch müssen sich Goodman und einer seiner Helfer vor Gericht verantworten. Ihnen werden insgesamt neun Lauschversuche zur Last gelegt, und die britischen Zeitungen spekulieren, ob neben Prinz William auch Thronfolger Charles nebst Gattin zu den „Abgehörten“ zählt.
Scotland Yard ermittelt
Der News of the World auf die Spur gekommen waren die Ermittler von Scotland Yard, weil sich einige der „Scoops“ des Enthüllungsblattes wie der über eine Knieverletzung bei William im vergangenen November nur durch solches Anzapfen der königlichen Mailbox erklären ließ. Nicht etwa, dass nur Blaublüter auf der Liste standen: Nach Presseberichten sollen auch der über eine Liebesaffäre gestolperte ehemalige Innenminister David Blunkett, Paul McCartneys Exfrau Heather Mills und Fußballergattin Victoria Beckham Ziele von illegaler Mailbox-Leerung geworden sein.
Königliche Dilettanten
Strafbar ist solches Hacken in jedem Falle – und offenbar nicht allzu schwer: Schließlich lassen sich die meisten Mailboxen mit relativ simplen vierstelligen Codes abrufen. Und viele Mobiltelefon-NutzerInnen sind auch nicht eben kreativ beim Einrichten ihrer PIN-Codes. Bei Königs kommt wohl noch ein weiteres Problem dazu: „Wir haben es mit Royal Family zu tun“, zitiert der Guardian einen Sicherheitsfachmann. Und das seien nun mal „keine Leute, die so eine Sache instinktiv verstehen – anders als jeder durchschnittliche 17-Jährige“.
Zimperlich in ihren Methoden sind die News of the World (NoW, Auflage 3,4 Millionen Exemplare) und ihr tägliches Schwesterblatt Sun (Auflage 3,3 Millionen) ohnehin nicht. Wobei ihre Aggressivität noch gestiegen ist, seitdem Rebekah Wade beiden Murdoch-Blättern ihren Stempel aufgedrückt hat: Die heute 38-Jährige war von 2000 bis 2003 Chefredakteurin der NoW und leitet seitdem die Sun.
Erst vorige Woche wurde die NoW verurteilt, dem schottischen Politiker Tommy Sheridan 200.000 Pfund Schmerzensgeld zu zahlen, weil ihm das Blatt Ehebruch inklusive Orgien im Swingerclub unterstellt hatte. Zum Spiel gehört auch, dass es weiter gegen Sheridan vorgeht: „We told the truth“ (Wir sagen die Wahrheit), heißt es trotzig auf der NoW-Website. In der Mailbox-Affäre werden sich Murdochs Anwälte allerdings etwas Besseres einfallen lassen müssen. STEFFEN GRIMBERG