piwik no script img

Archiv-Artikel

Brigitte Werneburg schaut sich in den Galerien von Berlin um

Komplexitätsreduktion als Mittel der Komplexitätssteigerung: So schaut das intelligente Konzept der Spezialbuchhandlung für Fotografie 25books aus. Der Name kommt daher, dass der Laden mehr oder weniger aus einem langen Tisch besteht, auf dem 25 neue Fotobücher als Empfehlung ausgelegt sind. So geht man nicht in der Masse der Neuerscheinungen unter und ist geneigt, sich über die einzelnen Bände genau zu informieren. Links und rechts vom Tisch hat der Laden schöne lange Wände, an denen die Serie „Wilted Country“ hängt, die Roger Eberhard auf einer Reise durch die USA aufgenommen hat, die von Nevada über Nebraska bis North Dakota und zurück an die Grenze Mexikos ging. Die überbelichteten, fehlfarbigen Polaroids zeigen verrottete Häuser, aufgegebene Tankstellen und Motels, in denen nur noch der Wind übernachtet. Die morbiden Hinterlassenschaften eines verwelkten Landes, wie der Titel der Serie poetisch sagt. Großartige Tristesse in einem inzwischen ganz ungewohnt kleinen, intimen Format. Konträr dazu stehen die großen Schwarz-Weiß-Abzüge von Edward Hartwig (1909–2003) in der Galerie Hiltawsky, in denen sich so wunderbar die klassische Zeit der experimentellen Fotografie der 50er bis 70er Jahre widerspiegelt und der Optimismus hinsichtlich einer Fortentwicklung des Mediums wie der Welt gleichermaßen. Hartwig, der als einer der bedeutendsten Vertreter der polnischen Fotografie gilt, arbeitete mit intensiven Licht- und Schattenkontrasten, mit Überblendungen und besonders elegant mit dem Mittel der Solarisation. Interessant die frühe Überführung von Kunst in Mode: geometrische Objekt-Op-art und Kleidungs-Op-art des Avantgardebildhauers Hendryk Berlewi führen zu genau jenen pulsierenden Schwarz-Weiß-Mustern, mit denen Hartwig in seinen Fotografien bevorzugt arbeitete.

■ Roger Eberhard: Wilted Country; bis 1. September, Mi., Fr., Sa. 14–19 Uhr, Wilted Country, Brunnenstr. 152 ■ Edward Hartwig Retrospektive; bis 25. September, Mi.–Fr. 14–18, Sa. 14–17 Uhr, Galerie Hiltawsky, Tucholskystr. 41