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Archiv-Artikel

„Bitte finden Sie uns gut!“

Alles neu beim SWR: Design, Gesichter, Programme. Doch das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich in Baden-Baden, Stuttgart und Mainz niemand so richtig für junge Zuschauer interessiert

AUS STUTTGART PEER SCHADER

Das Wichtigste vorneweg: Frank Elstner hat zehn Jahre im Südwesten Deutschlands gelebt, währenddessen zum ersten Mal ein Mädchen geküsst und moderiert mit dieser Qualifikation bald das Regional-Quiz „Die Besten im Südwesten“. Die Schunkelkochsendungen „Fröhlicher Alltag“ (Baden-Württemberg) und „Fröhlicher Weinberg“ (Rheinland-Pfalz) bekommen mehr Platz und besuchen sich gegenseitig in ihren Bundesländern. Und Nuschelkoch Johann Lafer („Und, Johann, schmeckt’s?“) kriegt eine neue Sendung, in der Menschen sich bei ihren Liebsten mit Drei-Gänge-Menüs für Streitereien entschuldigen können, also wie „Verzeih mir“ mit Kochen.

„Die Leute sollen nicht glauben, dass wir jetzt einfach noch mehr Kochsendungen machen“, verteidigte SWR-Intendant Peter Voß die Änderungen am Donnerstag, obwohl sich vorher gar niemand darüber beschwert hatte. Und selbst wenn: Zu viele Kochshows wären nun wirklich das geringste Problem, das der traditionsbeschwipste SWR derzeit hat.

Vor zwei Tagen war Haustermin beim Südwestrundfunk in Stuttgart, weil es Neues zu erzählen gab: übers aufgepeppte Design („ein warmes Goldorange“), neue Moderatorinnen (junge Frauen, die hübsch lächeln können) und innovative Formate (Elstners Quiz und die Antiquitäten-Prüfshow „Echt antik?“). Unten im Studio 1 des Stuttgarter Sendezentrums, das von außen an ein lange nicht renoviertes Finanzamt erinnert, drinnen eher an ein Krankenhaus mit endlosen Fluren, unten also stand Peter Voß. Er fing pünktlich an mit seinem Vortrag über das Reförmchen, wie sich das im Ländle nun mal gehört, und er sagte: nichts.

Nachher fasste Moderator Michael Antwerpes, der sich ein bisschen wie der jüngere Bruder von Reinhold Beckmann benimmt, das Nichts noch einmal kompetent zusammen: Der SWR will modern sein, aber nicht schrill. Er will Heimat vermitteln, aber nicht „tümeln“. Und er will vieles neu machen, nur das Alte nicht ändern. Klingt nach einem Kompromiss, den es nicht geben kann. „Bitte finden Sie uns gut!“, forderte Frank Elstner nachher in seiner Videobotschaft, weil er – wie ein echter Star – nicht selbst in Stuttgart sein konnte. Man würde ja gerne! Aber der SWR macht es einem so verdammt schwer.

Die angekündigte Namensänderung ist – mit Verlaub – ein Witz. Die beiden dritten Programme des Senders heißen künftig nicht mehr „Südwest Fernsehen“, sondern „SWR Fernsehen“. Macht nichts, „Südwest Fernsehen“ hat schließlich auch vorher kaum jemand gesagt. Und das Redesign, das offenbar nur für Trailer und Animationen gilt, erinnert auch bloß ans ZDF.

Was soll das? Wo sind die mutigen Entscheidungen? Ganz einfach: Es gibt keine – abgesehen davon, dass das Pilotprojekt „Guildo und seine Gäste“, in dem Guildo Horn mit geistig Behinderten talkt, Ende des Jahres fortgesetzt werden soll.

Das Durchschnittsalter des SWR-Zuschauers liege nun mal bei über 60 Jahren, sagte der 65-jährige Voß. Und man brauche sich auch keine Illusionen machen: An die ganz jungen komme man einfach nicht ran, solange es die Privaten gebe. Eigentlich aber – und das ist die Hauptbotschaft, die man aus Stuttgart mitnehmen konnte – haben sie an den jungen Zuschauern gar kein Interesse. Sonst würden sie ja Programm für sie machen.

Willi Steul, Direktor des Landessenders in Baden-Württemberg, sprach am deutlichsten aus, was man beim SWR von „den Jungen“ hält: Als Informationsprogramm mit Schwerpunkt im Lokalen könne man nicht permanent „Jux und Dollerei“ veranstalten, sagte er vor versammelter Presse. Auf den Punkt gebracht: Wer jung ist und RTL und Pro 7 schaut, will auch sonst bloß Krawall und Klamauk sehen.

Das ist ein großer Irrtum. Niemand fordert vom SWR – oder anderen Dritten Programmen –, dass sie MTV Konkurrenz machen sollen. Mag sein, dass der SWR keine Chance hat, Teenager als Stammseher zu gewinnen, aber vielleicht klappt das bei Zuschauern, die Anfang, Mitte zwanzig oder dreißig sind, die studieren, arbeiten, Familien gründen. Brauchen die keinen Sender, der relevant für sie ist, weil er eine Alternative zum Entertainment-Einerlei der Privaten bietet? Mit einer regelmäßigen Talkshow für und mit jungen Leuten über Themen aus der Region, einem Szenemagazin, das nicht wie die Radioauskoppelung „Das Ding“ samstagmittags um 12 Uhr oder mitten in der Nacht versteckt wird, und regionalen Informationen, die mehr zeigen als Reportagen über Schaukelpferdschnitzer und historische Stadtrundgänge? Mehr Initiativen wie das „Debüt im Dritten“, das Sprungbrett für junge Filmemacher?

Etwas mehr Mut in Baden-Baden, Stuttgart und Mainz würde dem Sender ziemlich gut tun, wenn er auch für unter 60-Jährige von Bedeutung sein will. Allein mit warmem Goldorange lässt sich da wahrscheinlich nicht so viel reißen.