DER GRUND FÜR DEN ABBAU VON JOBS IN DER VERWALTUNG IST PROFITGIER: Technischer Fortschritt als Ausrede
Ist der technische Fortschritt schuld, wenn Großunternehmen massenhaften Abbau von Arbeitsplätzen in der Verwaltung ankündigen? Klar wird den Firmen niemand verwehren können, neueste Systemlösungen zu nutzen. Das wird auch niemand wollen – am allerwenigsten die dort Beschäftigten. Aber einfach zu glauben, dass Technik gut 120.000 Angestellte ersetzen könnte, hieße, in blinde Technik-Euphorie zu verfallen.
Was heute die Vision vom menschenleeren Büro ist, war in den 70er-Jahren die von der menschenleeren Fabrik. Diese endete bekanntermaßen in einem Fiasko, das für die Visionäre peinlich und für die Pilotunternehmen teuer war. Man lernte: Komplexe Systeme zentral technisch zu steuern, ist nur begrenzt möglich. Automatisierte Strukturen sind schwerfällig und unflexibel. Abgesehen davon haben die großen Rationalisierungsschübe in den betrieblichen Verwaltungen längst stattgefunden. Dass erneut und auch noch fast 85 Prozent aller Arbeitsplätze abgebaut werden, ohne dass die Unternehmen massivst an Qualität und Kundennähe verlieren, ist nicht denkbar. Die Studie – in Eigeninitiative von einer großen Managementberatung durchgeführt – kann deshalb nur einen Zweck verfolgen: die Beschäftigten auch in lange als sicher geltenden Angestelltenjobs zu verunsichern.
Die Streichpläne von Allianz, Daimlerchrysler und Co zeigen, das dies nichts zu tun hat mit technologischem Fortschritt, dem man sich nicht verschließen könnte. Tatsächlich sind Stellenkürzungen heute beinahe ausschließlich Folge eines Wirtschaftens, das sich einzig an Renditezielen orientiert. Denn diese sind kurzfristig am schnellsten mit dem Abbau von Arbeitsplätzen zu erreichen.
Aber: Im Gegensatz zu technologischem Fortschritt ist das keine nicht aufzuhaltende Entwicklung, sondern nur eine Entscheidung des Managements. Und der kann man etwas entgegensetzen: die Beschäftigten mit gewerkschaftlich organisierter Gegenwehr, die öffentliche Meinung mit einer klaren Positionierung. Schließlich ist das Image für jedes Unternehmen ein nicht zu unterschätzender Faktor. BEATE WILLMS
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