: Mexiko vor dem Showdown
Morgen sollen in Mexiko die Ergebnisse einer Teilnachzählung der Stimmen zur Präsidentschaftswahl veröffentlicht werden. López Obrador protestiert weiter
MEXIKO-STADT taz ■ Blockaden vor Ministerien, internationalen Banken oder Gerichtsgebäuden, Menschenketten und Kundgebungen – auch in dieser Woche machten die Anhänger des offiziell unterlegenen mexikanischen Präsidentschaftskandidaten Andrés Manuel López Obrador mit zahlreichen Aktionen auf sich aufmerksam.
Für Sonntagvormittag hat der gemäßigt linke Politiker erneut zu einer Großdemonstration in der Hauptstadt aufgerufen. Wenige Stunden später wird das Ergebnis einer Teilauszählung der Stimmen bekannt geben, die das Wahlgericht angeordnet hatte.
López Obrador und seine Partei der Demokratischen Revolution (PRD) haben nach der Gerichtsentscheidung klargestellt, dass man erst Ruhe gebe, wenn alle Stimmzettel neu ausgezählt würden. Nur so könne bestätigt werden, dass sein konservativer Kontrahent Felipe Calderón durch einen Wahlbetrug als Sieger aus den Präsidentschaftswahlen vom 2. Juli hervorgegangen sei. Calderón von der Partei der Nationalen Aktion (PAN) hatte mit einem Vorsprung von 0,58 Prozent der Stimmen gewonnen; López Obrador hatte sofort gegen mutmaßlichen Wahlbetrug protestiert.
Seit Mittwoch lässt das Wahlgericht den Inhalt von 11.839 Wahlurnen, also etwa neun Prozent der 41,7 Millionen abgegebenen Stimmen, überprüfen. Nach bis Freitag früh bekannt gewordenen Informationen hat die Auszählung keine so gravierenden Unregelmäßigkeiten ergeben, dass von einer Änderung des bisherigen Ergebnisses auszugehen ist. Die PAN sieht somit den Sieg Calderóns bestätigt und verweist auf Urnen, in denen die Neuauszählung keine Veränderung gebracht hat. Bei den von López Obrador beanstandeten Ungereimtheiten handele es sich um unbedeutende „arithmetische Fehler“.
Die PRD hingegen fühlt sich in ihren Vorwürfen bestätigt. „Sie haben sich wie regelrechte Wahlverbrecher verhalten und Andrés Manuel López Obrador die Stimmen geklaut“, erklärte der PRD-Sprecher Ricardo Monreal Avila. Monreal verwies auf einige Urnen, in denen für den PRD-Kandidaten bis zu 80 Stimmen mehr gezählt wurden als zuvor. Zudem seien viele Stimmenpakete aufgerissen vorgefunden worden. Man habe die Kartons nachträglich „illegal geöffnet“, um Stimmzettel hinzuzufügen oder wegzunehmen.
Um der Forderung nach einer kompletten Neuauszählung Nachdruck zu verleihen, organisierten Anhänger von López Obrador täglich „zivile friedliche Widerstandsaktionen“. Sie besetzten Mautstellen und ließen die Autofahrer kostenlos passieren oder blockierten die Eingänge einflussreicher Institutionen.
Auch das Protestcamp, das sich seit knapp zwei Wochen durch das Zentrum von Mexiko-Stadt zieht, wird weiterhin aufrechterhalten. Mexikos größter Unternehmerverband Coparmex spricht mittlerweile von einem Schaden von etwa 100 Millionen Euro, der durch die Blockade der Innenstadt entstanden sei.
López Obrador gibt sich zuversichtlich. „Der Triumph der Rechten ist moralisch betrachtet unmöglich“, erklärte er.
Am Sonntag wird das Wahlgericht entscheiden, wie weiter verfahren wird. Sollten sich die Unregelmäßigkeiten nach der Teilauszählung in einer irrelevanten Größenordnung abspielen, werden die Richter wohl Calderón zum Wahlsieger erklären. Ebenso ist aber auch eine Neuauszählung weiterer Urnen oder sogar die Anullierung der gesamten Wahl nicht auszuschließen. WOLF-DIETER VOGEL