: Kampf ums Anti-Terror-Image
In den USA fühlen sich nach den vereitelten Anschlägen Politiker jeglicher Couleur bestätigt und nutzen das Thema für den Wahlkampf. Die Sicherheitsvorkehrungen an den Flughäfen wurden weiter verschärft
BERLIN taz ■ Verspätungen an den Flughäfen, erhöhte Bedrohungsangst bei den Fluglinien und eine Flut von Wahlkampfrhetorik seitens der US-Republikaner – dies sind in den USA die unmittelbaren Folgen der Verhaftungen in Großbritannien und der Nachrichten über eine mutmaßlich geplante Anschlagsserie auf Transatlantikflüge.
Das US-Heimatschutzministerium erhöhte die Sicherheitswarnung für alle kommerziellen Flüge auf Orange und die für Flüge von Großbritannien in die USA auf Rot. Flüssigkeiten und Gelsubstanzen dürfen außerdem nicht mehr ins Handgepäck mitgenommen werden, weil vermutet wird, dass die geplanten Anschläge mit Flüssigsprengstoff ausgeführt werden sollten. Reisende wurden teils stundenlang aufgehalten, weil sie ihr Handgepäck umpacken oder Trinkwasser, Zahnpasta, Sonnenschutzcreme oder Shampoos wegwerfen mussten.
Bis Donnerstagabend, so US-Medien, hatten sich Fluggäste an der US-Ostküste an die neuen Regeln gewöhnt und ihre Packgewohnheiten verändert. Es ist schließlich nicht das erste Mal, dass Terroralarm den Flugverkehr beeinträchtigt. Die Börsenkurse mehrerer US-Fluglinien fielen am Donnerstag zunächst stark, erholten sich aber bis zum Abend weitgehend.
Trotz der verhaltenen Reaktionen von Fluggästen und Börsenmaklern versuchen nun manche Politiker bei den US-Republikanern, die Terrorgefahr für Wahlkampfzwecke auszunutzen und sich für die Kongresswahlen im kommenden November als Verteidiger der Nation gegen den Terror darzustellen – eine Taktik, die 2002 und 2004 funktioniert hatte. Senatskandidat Mark Kennedy, gegenwärtig Abgeordneter im Repräsentantenhaus, sagte, die Nachrichten aus Großbritannien „machen es klarer denn je, dass dies eine andauernde Schlacht ist, und wir brauchen Führer in Washington, die sich weiterhin verpflichtet fühlen, das Richtige zu tun statt das politisch Vorteilhafte“. Der republikanische Fraktionsführer im Repräsentantenhaus, John A. Boehner, Ohio, nannte die oppositionellen Demokraten in einer Erklärung „Defeatocrats“.
Senator Joe Lieberman, der in dieser Woche im Bundesstaat Connecticut die demokratischen Vorwahlen gegen den Anti-Kriegs-Kandidaten Ned Lamont verloren hatte, erklärte, dessen Ansichten bedeuteten einen großen Sieg für Leute wie die mutmaßlichen Terrorplaner von Großbritannien. Der Minderheitenführer im Senat, Harry M. Reid, erklärte: „Dieser jüngste Plan zeigt, dass die Bush-Regierung und der Kongress ihren Kurs im Irak ändern müssen und dass wir alle notwendigen Schritte unternehmen müssen, um Amerikaner zu Hause und überall auf der Welt zu beschützen.“
Präsident George W. Bush selbst hat die kommenden Wahlen nicht erwähnt, blies aber ins gleiche Horn: Er nannte die vereitelten Terroranschläge eine „klare Erinnerung daran, dass sich diese Nation im Krieg mit islamischen Faschisten befindet, die zu jedem Mittel greifen werden, um die Freiheitsliebenden unter uns zu zerstören.“ Die USA seien im übrigen heute sicherer als vor dem 11. September 2001, erklärte Bush auf dem Flughafen von Green Bay, Wisconsin. „Wir haben viel unternommen, um die amerikanische Bevölkerung zu schützen. Aber offensichtlich sind wir noch immer nicht völlig sicher, denn es gibt Leute, die immer noch Sachen planen, und Leute, die uns für das, woran wir glauben, etwas antun wollen.“
Eugene Robinson, Kolumnist der Washington Post, hingegen schrieb gestern, der aufgedeckte Plan erinnere an die wirklichen Bedrohungen – „im Unterschied zu jenen Phantombedrohungen, die George W. Bush und Tony Blair hochgespielt haben, um den desaströsen Irakkrieg zu rechtfertigen“.
MATT HERMANN