: KIEW 2014
UKRAINE Kiew: Sicherheitsdienste beginnen landesweiten „Anti-Terror-Einsatz“ +++ Sotschi: Ukrainische Sportler dürfen nicht Trauerflor tragen +++ Moskau: Putin macht „Extremisten“ für Eskalation verantwortlich +++ Brüssel: EU beruft Sondergipfel ein +++ Gysi: Schröder soll vermitteln +++ Mainz: Deutsches TV sendet Karneval
BRÜSSEL taz | Während der ukrainische Sicherheitsdienst gestern einen „Anti-Terror-Einsatz“ ankündigte, herrschten in der EU zuerst Fassungslosigkeit, Wut und Zorn über die mindestens 25 Todesopfer der Blutnacht von Kiew vor. Doch dann kamen die Reaktionen Schlag auf Schlag.
Am härtesten äußerte sich Schwedens Außenminister Carl Bildt. Staatschef Wiktor Janukowitsch trage die Verantwortung für „Tod und Gewalt“ in der Ukraine. „Er hat Blut an seinen Händen.“ Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) warf Janukowitsch Fehler im Umgang mit der Opposition vor. „Die Verzögerungstaktik hat die Ukraine teuer bezahlt.“
Dann gaben Frankreich und Polen eine neue politische Linie vor. Präsident François Hollande und Premier Donald Tusk forderten „schnelle und gezielte Sanktionen“ gegen die Verantwortlichen in Kiew. Tusk hatte zuvor im polnischen Parlament gesagt, er werde sich an die Spitzen der EU-Länder wenden, um sie zu Sanktionen aufzurufen.
Vor allem in Berlin gab es zu diesem Zeitpunkt noch Vorbehalte. Schließlich hatte sich Kanzlerin Merkel noch am Montag nach einem Treffen mit dem ukrainischen Oppositionspolitiker Wladimir Klitschko gegen Strafen ausgesprochen. Nach einem Treffen mit Hollande rief sie gestern zum Dialog auf. „Es geht um die Frage einer Übergangsregierung und um freie Wahlen.“ Anders als Hollande sprach Merkel vorsichtig von „spezifischen Sanktionen“, die „eventuell“ zu verhängen wären.
Über das weitere Vorgehen wollen die EU-Außenminister am heutigen Donnerstag bei einem Krisentreffen in Brüssel beraten. Sanktionen stehen dabei ganz oben auf der Tagesordnung, sind jedoch noch keine beschlossene Sache. Denn viele EU-Länder fürchten, sie könnten den ukrainischen Präsidenten Janukowitsch endgültig in die Arme des russischen Präsidenten Putin treiben. Diplomaten verweisen auf das Negativbeispiel Weißrussland, wo EU-Sanktionen bisher nichts ausgerichtet haben.
Wesentlich kämpferischer – um nicht zu sagen: aggressiver – gaben sich die Europaabgeordneten. „Wir brauchen dringend glaubwürdige und gezielte Sanktionen gegen jene, die Menschenrechte verletzen“, so der EU-Parlamentspräsident Martin Schulz. Während sich der SPD-Politiker gleichzeitig für Finanzhilfen für die beinahe bankrotte Ukraine aussprach, brachte die grüne Fraktionschefin Rebecca Harms Sanktionen gegen Russland ins Gespräch.
„Es gibt zum Beispiel Alternativen zu der geplanten Pipeline Southstream, die Europa weiter von Gazprom abhängig machen soll“, so Harms. Ähnlich äußerte sich der Chef des Auswärtigen Ausschusses, Elmar Brok (CDU), der das Vertrauen der Kanzlerin genießt. Allerdings würden Sanktionen gegen Gazprom wohl auch Gaskunden in der EU treffen. ERIC BONSE
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