: Naturkosmetik mit Chemie
VERBRAUCHER Behörden haben künstlich hergestellte Konservierungsmittel in „Natur“-Körperpflegeprodukten gefunden. Baden-Württemberg fordert gesetzlichen Standard
VON JOST MAURIN
Viele Naturkosmetikprodukte enthalten auch Stoffe nicht natürlichen Ursprungs. Dieses Ergebnis des Testprogramms „Ökomonitoring 2009“ hat das baden-württembergische Ministerium für Verbraucherschutz am Freitag in Stuttgart veröffentlicht. Demnach enthielten mehr als 15 Prozent der 61 untersuchten Naturkosmetikprodukte sogenannte naturidentische Konservierungsstoffe, die im Labor hergestellt werden. Grundsätzlich erwarte der Verbraucher, dass für Naturkosmetik ausschließlich natürliche Rohstoffe eingesetzt würden, erklärte Minister Rudolf Köberle (CDU).
Die Chemiker fanden zum Beispiel Sorbin- und Benzoesäure, Benzylalkohol sowie Phenoxyethanol in Naturkosmetika. Diese Stoffe kommen auch in der Natur vor, Sorbinsäure etwa in den Samen der Vogelbeere. Doch es ist günstiger, die Säure auf chemischem Wege nachzubauen, als sie in der Natur zu gewinnen.
Immerhin kennzeichneten die Hersteller die Chemikalien laut Ökomonitoring, wie vom Bundesgesundheitsministerium empfohlen, auf der Packung mit dem Hinweis „konserviert mit …“. Allerdings dürften nur wenige Verbraucher wissen, dass sich hinter den Namen der Stoffe künstlich erzeugte Materialien verbergen.
Der Branchenverband BDIH, der das am weitesten verbreitete Siegel für Naturkosmetik vergibt, hält die naturidentischen Konservierungsstoffe dennoch für unproblematisch. „Der Verbraucher erwartet nicht, dass alle Rohstoffe direkt aus der Natur gewonnen werden“, sagte Geschäftsführer Harald Dittmar der taz. Alle Siegel würden bestimmte Chemikalien zulassen. Sie seien bei vielen Produkten notwendig, damit keine Keime entstehen. Auf der Haut können verkeimte Cremes beispielsweise heftige Reizungen oder gar Infektionen verursachen.
Doch es gibt Alternativen. Die Wala Heilmittel GmbH etwa verzichtet bei ihren „Dr. Hauschka“-Produkten nach eigenen Angaben auf naturidentische Konservierungsstoffe. „Die werden ja auch synthetisch hergestellt“, begründete das Sprecherin Elisabeth Seydel. Damit die Kosmetika trotzdem mikrobiologisch einwandfrei sind, achte Wala besonders auf Hygiene. Statt in offenen Tiegeln verpacke die Firma Produkte in Dosierspender, um Keimbefall durch Berührung zu reduzieren. Wasserfreie Präparate wie Gesichtsöl oder Lippenpflegestifte kämen sowieso ohne Konservierung aus, da Bakterien und Pilze Wasser für ihr Wachstum benötigen.
Damit der Verbraucher zweifelsfrei erkennen kann, wie viel Natur in Naturkosmetik steckt, fordert Baden-Württemberg gesetzliche Standards. „Wir brauchen eine klare und rechtsverbindliche europäische Regelung für Naturkosmetik“, verlangte Verbraucherminister Köberle.
Weniger Pestizide im Essen
Der Politiker teilte auch mit, dass die Behörden 2009 weniger ökologisch hergestellte Lebensmittel wegen zu hoher Pestizidgehalte beanstandet hätten als im Vorjahr. Die Quote lag bei frischen Bio-Erzeugnissen bei 1,0 Prozent. Im Jahr 2008 hatten die Kontrolleure noch 4,9 Prozent der Proben bemängelt, weil sie zu viele im Bio-Landbau verbotene chemisch-synthetische Pestizide enthielten.