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Archiv-Artikel

Neue Schulform für den ländlichen Raum

BILDUNG In der Kleinstadt Ascheberg soll die erste Gemeinschaftsschule in Nordrhein-Westfalen entstehen. Haupt- und Realschule werden zusammengelegt und durch einen gymnasialen Zweig ergänzt

KÖLN taz | Ascheberg – ausgerechnet einer jener Flecken, in denen die konservative Welt bisher noch in Ordnung schien, wird zum rot-grünen Vorzeigeprojekt. In der knapp 15.000 Menschen zählenden Gemeinde im südlichen Münsterland soll die erste Gemeinschaftsschule Nordrhein-Westfalens entstehen. „Wir hoffen, dass wir die Genehmigung im Herbst haben und in einem Jahr starten können“, sagt CDU-Bürgermeister Bert Risthaus.

Bisher gibt es in Ascheberg nur eine Haupt- und eine Realschule, beide mit sinkenden Schülerzahlen. Den Beschluss, sie zusammenlegen und um einen gymnasialen Zweig zu ergänzen, traf der Gemeinderat einstimmig. Die Gemeinschaftsschule ist eine weiterführende Schule nach der vierjährigen Grundschule. In dieser Schulform sollen die Kinder zumindest in der fünften und sechsten Klasse gemeinsam lernen, sie können das aber auch in höheren Jahrgängen noch tun. Dies entscheidet jede Bildungseinrichtung selbst. Alle Abschlüsse sollen erreicht werden können.

„Für uns ist das der einzige sinnvolle Weg“, ist Risthaus überzeugt. Dabei ist Ascheberg eine christdemokratische Hochburg. Die SPD kam bei der Kommunalwahl im vergangenen Jahr auf gerade mal 15 Prozent, Grüne und Linkspartei traten erst gar nicht an. „Ich bin von den Anstrengungen, die Ascheberg bei der Erarbeitung seines Antrags unternommen hat, sehr beeindruckt“, sagt die grüne Landesschulministerin Sylvia Löhrmann. Sie gehe davon aus, „zeitnah grünes Licht für den Start dieser Schule der Zukunft geben zu können“.

Möglich macht das Paragraf 25 des NRW-Schulgesetzes, der Schulversuche zulässt, wenn sie „dazu dienen, das Schulwesen weiterzuentwickeln“. Bei der alten, schwarz-gelben Landesregierung waren die Ascheberger auf Granit gestoßen. Auch jetzt wettern CDU und FDP in Düsseldorf heftig gegen das Vorhaben. Die „Einheitsschule“ solle hier „auf Biegen und Brechen auf den Weg gebracht werden“ und „funktionierende Schulformen“ ersetzen, kritisierte die bildungspolitische Sprecherin der FDP-Landtagsfraktion, Ingrid Pieper-von Heiden.

Auch ihr CDU-Pendant Thomas Sternberg warnte vor einem „Herumexperimentieren an einer gewachsenen und gelebten Schullandschaft“. Mit der „ideologisch gewollten neuen Schulform“ würden „bewährte Strukturen in Ascheberg und den Umlandgemeinden“ gefährdet. Den Vorwurf seines Parteifreundes kann Risthaus nicht nachvollziehen: „Wenn wir nichts tun, würde doch genau das passieren.“ Dann gäbe es bald nur noch Grundschulen am Ort.

So wie Ascheberg geht es vielen kleinen Städten und Gemeinden. „Gerade im ländlichen Raum geht es oft um die letzte weiterführende Schule am Ort“, weiß Schulministerin Löhrmann. „Wenn wir nichts tun, droht ein massives Schulsterben.“ Immer mehr Eltern wollten für ihre Kinder möglichst lange die Chance auf einen höheren Bildungsabschluss offenhalten. Die Gemeinschaftsschule sei darauf die ideale Antwort.

PASCAL BEUCKER