: Luhmann mit Pointe
Kritik der Kritik (5): Karikaturen und Cartoons haben sich als Zeichen des öffentlichen Diskurses längst im Kulturbetrieb etabliert. Eine Witzkritik
An der Fragestellung hat sich nichts geändert. Kritikfähigkeit wird heute von jedem Schulkind erwartet, heißt es seit fünf Wochen jeden Dienstag: Aber wie steht es denn damit in der Kultur? Ist Kritik auf dem Rückzug, bedrängt durch die Kulturindustrie? Ist sie nötiger denn je? Und wie soll/kann/muss sie heute aussehen? In unserer Artikelreihe zum gegenwärtigen Stand des kritischen Handwerks wird heute eindeutig dem Bild der Vorrang gelassen. Nicht ohne Grund: Rattelschneck sind so etwas wie die Diskursanalytiker der deutschen Comic- und Cartoonszene.
Ende der Achtzigerjahre gegründet, haben Marcus Weimer und Olav Westphalen, beide Jahrgang 1963, unter dem Namen Rattelschneck ihre Zeichnungen seither regelmäßig in Titanic, Zeit, FAZ oder der Süddeutschen Zeitung veröffentlicht. Sie haben Kati, das Mädchen mit den Riesenzähnen, erfunden. Und in Cartoons „Männliche Strategien“ überprüft. Wenn man ihren Kollegen glaubt, dann sind sie wahlweise „Gott“ (Walter Moers) oder die „ganze Süße der Jugend“ (Wiglaf Droste). Dabei gehört eben auch Theorie zur Auseinandersetzung in Form von Witzbildern: Für die taz haben sie 1995 zur Frankfurter Buchmesse eine Literaturbeilage unter anderem zu Niklas Luhmanns „Die Kunst der Gesellschaft“ kritisch kommentierend illustriert. Unvergessen die Zeichnung mit Ameisen, die Kunstwerke hinforttragen, was ein Beobachter in etwa mit dem Satz kommentiert: Es liegt nicht am Rahmen, sondern am Firnis.
Mittlerweile lebt Westphalen als Künstler in New York, Weimer ist von Hamburg nach Berlin gezogen. Die meisten Zeichnungen entstehen trotzdem in Absprache per Fax oder Telefon. Zuletzt ist „Das dicke Rattelschneck Buch“ (Rowohlt Verlag, 9,90 Euro) erschienen, im September wird bei Lappan der Band „Hier lacht der Betrachter – 157 Einzelbildwitze aus Titanic von Kahl, Rattelschneck, Hurzelmeier“ veröffentlicht werden.
Bisher sind in der Kritikreihe Texte von Michael Rutschky (11. 7.), Cristina Nord (18. 7.), Robert Misik (25. 7.) und Katrin Bettina Müller (7. 8.) erschienen. HF