: Polizeilich geprüfte Kunst
GAK Kate Newby hat in Bremen kein Farb-Vandalismus-Delikt begangen, das ist amtlich festgestellt. Im Übrigen überzeugt sie durch strikte Verunsicherung
Kate Newby ist in Bremen bereits aktenkundig geworden, bevor’s richtig losging. Zwei Polizisten haben am Dienstag, höflich, aber bestimmt, ihre Personalien überprüft und Namen und Anschrift notiert, geboren 1979, aha!, Auckland, soso!, und derzeit in Worpswede untergebracht, sieh mal an, das könnte also stimmen.
„TRY TRY.“ steht jetzt, in orangenen Großbuchstaben, an der stadtseitigen Schlachte-Kai-Mauer, vorher war dazwischen noch ein Punkt: Schließlich war zu kontrollieren, ob die Farbe wirklich abwaschbar ist. Doch dann ließen sich die Beamten gern erklären, dass hier kein Farbvandalismus vorliegt. Sondern, dass Newby Kunst macht. Und sie fanden’s auch überzeugend. Trotzdem, nächstes Mal bitte anmelden!, Frau de Vries.
Und da haben sie Recht, also klar, auch mit dem Hinweis an die Kuratorin, vor allem aber mit der ästhetischen Einschätzung: Newbys erste europäische Solo-Ausstellung, „Crawl Out Your Window“, seit Freitag in der Gesellschaft für Aktuelle Kunst zu sehen, ist radikal überzeugend. Weil ihre Installationen, obwohl gut durchdacht und straight konzipiert, auf paradoxe Weise spontan bleiben, wie eine Eingebung. Etwa beim Blick aus dem Fenster. Der führt von der GAK aus auf eine graue Naturstein-Kaimauer. Stünde der vielleicht eine Inschrift gut? In Orange? Sie versucht eine Blickbrücke zu schaffen, der es gelingt, die Galeriegäste ganz, ganz langsam aus ihren Fenstern zu locken, crawl out Your window, sie müssen es nur versuchen.
Wer’s braucht, kann darin selbstverständlich ein „Echo auf die Lawrence Weiner-Inschrift auf der Fassade des Ausstellungshauses“ sehen, wie die Kuratorin empfiehlt. Aber Newbys Inschrift braucht die nicht. Die wäre auch dann genau da gelandet, wenn an der Fassade vis à vis nur ein Möwenschiss hinge oder ein feuchter Schiffersfurz: Es geht um Blickbrücken, nicht um Referenzen, und Newby vermeidet die Eindeutigkeit, wo immer das geht. Wie in den Worten, TRY zum Beispiel, das Befehl ist, oder Nomen, oder Infinitiv, wer weiß? Alles ist erst im Begriff zu geschehen – oder auch schon passé und abgewaschen, der Sinn bleibt in der Schwebe und das Terrain unsicher.
So hat sie auch das hintere Drittel des Ausstellungsraums in eine Rampe verwandelt. Die ist mit rohem Estrich überzogen, der, betont lässig gefärbt, wie feucht wirkt: Drüberlaufen? Oder lieber doch nicht? Es sind Kronkorken und Steine einzementiert, manche wieder herausgebrochen, grobe Fußspuren, ein Reifenprofil, es könnte Strandgut sein, hier und da ein Halbedelstein. Und doch wird’s Ganze auch zum himmelblauen Malgrund eines Bildes, das nur sieht, wer es betritt.
BENNO SCHIRRMEISTER
Kate Newby, Crawl Out Your Window, GAK, Teerhof, 28. 8. bis 7. 11.