: Der ganz lange Atem
DOPPELBÖDIG Allerbester Zeitlupen-Todes-Jazz: Bohren & Der Club of Gore in Hamburg
Es ist dies eine Feier des Echten: „Eine echte Kultband lässt sich nicht planen und auch nicht am Reißbrett des Promotion-Office konstruieren“, schrieb Tim Stüttgen einmal in dieser Zeitung. „Echte Kultbands werden einfach Kult, was auch immer sie dafür oder dagegen tun.“
Und wenn’s je eine gegeben hat, dann sind es diese inzwischen angegrauten Herren aus Mülheim an der Ruhr: Hervorgegangen aus einer Hardcore-Band, lange bevor es ausreichend Internet gegeben hätte, um darin Hypes loszutreten, buddelten sich Bohren & Der Club of Gore Mitte der 90er-Jahre durch schmierig-samtene Videotheken-Keller und brachten wunderbare Instrumental-Musik mit handgemachten Bruce-Lee-Trash-Verpackungen heraus.
In Fanzines und – später, dank guter Verbindungen – „richtiger“ Musikpresse keimte das Interesse an der Band, stets auch befeuert durch die vermeintlich exotische Herkunft: Konnten die denn nicht in irgendeine kanonisierte Großstadt ziehen, wie’s sich gehört? Gäbe es denn in Berlin nicht auch postindustrielle Brachen zu vertonen?
Es ist dies nun aber auch ein Fest des Doppelbödigen: Den einen oder anderen Interviewer stießen die Musiker damals auch vor den Kopf: Müssten sich Typen, die derart souverän Extrem-Metal-Ästhetik mit Fake-Jazz-Saxofonspiel zu einem unfassbar zerdehnten Bastard kreuzen, sich denn nicht über David Lynch und Michel Foucault austauschen – statt über die Abmessungen der neuen Fernsehgeräte in raufasertapezierten Drei-Zimmer-Wohnungen? Und dann noch dieser Witz, der durch die vielen Leerstellen ihrer Musik lugt?
Mögen Bohren & Der Club of Gore auch Mike Patton – längst selbst eine Ikone des extremen Musikschaffens – zu Anhängern ihres Kults zählen: Hip sind sie immer noch nicht. Und ihren Slow-Motion-Ambient-Death-Jazz, den toppt keiner. ALDI
■ Fr, 28. Februar, 20.30 Uhr, Nochtspeicher
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